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Auf deutscher Kreuzfahrt

Die ehrbaren Hamburger Kaufleute Schüef und Rahe haben ihr Konzept für die ehemalige Staatsreederei der DDR vorgestellt  ■ Aus Warnemünde Niklaus Hablützel

Die alte Geschäftsführung der Deutschen Seereederei Rostock (DSR) wunderte sich. Die Wessis waren immer noch in Aktion, keine Zeit für Geselligkeit wie früher die angereisten Funktionäre. Nein, die Neuen versprachen statt dessen einer verdutzten Reporterin im Lokalfernsehen, daß sie nun „Rostock wieder zum wichtigsten Hafen der Ostsee“ machen wollen.

Für 1,1 Milliarden Mark sollen ein neues Verwaltungsgebäude, Wohnungen und Hotels gebaut werden. Und auch Schiffe dürfen in See stechen: „Etwa sechzig“, sagt Nikolaus Schüef, Inhaber der Hamburger Reederei Laisz. Dreizehn will er von dort in die neue Gesellschaft überführen, Partner Rahe steuert weitere sieben aus seinen diversen Beteiligungen bei. Und die übrigen vierzig Schiffe der ehemaligen DDR-Handelsflotte? Sie werden wohl kaum unter deutscher Flagge weiterfahren. Dafür zeigen Niklaus Schüef und Horst Rahe persönliche Präsenz: „Wenigstens den größten Teil der Woche“, sagen sie unisono, „werden wir unsere Geschäfte von Rostock aus leiten.“ Das Engagement soll ihnen deshalb nun endlich auch die Belegschaft glauben.

Aber noch vor dem ersten Gespräch mit dem Betriebsrat kam gestern wieder die Presse an die Reihe. Morgens um acht stellten die Hamburger Gäste im Warnemünder Hotel Neptun ihr Konzept vor. Die ehemals sozialistische Staatsflotte soll unter dem Namen „Deutsche Seereederei“ weiterhin mitspielen im Geschäft um Seetonnage.

Wenigstens ein bißchen. Mittelständler Schüef weiß, „daß Hapag Lloyd die größte deutsche Reederei“ betreibt. Aber er hat auch gelernt, daß „Dinosaurier keine Chance haben“. Das ist die Treuhand-Gesellschaft DSR, die er mit Rahe im Geschäft für 10 Millionen Mark gekauft hat, schon lange nicht mehr. Anlagevermögen und Immoblien werden auf etwa 500 Millionen Mark geschätzt. Die Flotte wurde bereits auf etwa ein Drittel des alten Bestandes abgespeckt, die Belegschaft auf heute noch 3.500 Beschäftigte reduziert.

Das ist immer noch zuviel. In wochenlangen Verhandlungen hat die Treuhand dem Hamburger Duo die Zusage abgetrotzt, wenigstens 2.225 Arbeitsplätze zu erhalten, davon 1.400 auf Seeschiffen. Deutsche Matrosen haben dennoch nur geringe Chancen bei der deutschen Seereederei. Die Fracht- und Containerflotte soll, wie bereits im Unternehmenskonzept der Treuhand-Geschäftsführung vorgesehen, weitgehend ausgeflaggt werden. Mit deutscher Besatzung fahren werden wohl die Vergnügungsdampfer „Arcona“ und ein zweites Kreuzfahrtschiff, das hinzugekauft werden soll. Das Arbeitsplatzversprechen dürfte mit Jobs für Kellnerinnen, Köche und Putzfrauen auf den Kreuzfahrtschiffen eingelöst werden.

Touristik, ergänzt Partner Rahe, soll ohnehin das „zweite Standbein“ der neuen Reederei sein. Passagiere dürfen auch auf den Frachtern mitreisen, aber höchstens zwölf auf einmal – „sonst wäre ein Schiffsarzt vorgeschrieben“. Vor allem aber sollen Hotels und „Ferienhausprojekte“ (Rahe) die Geschäftsrisiken der Schiffahrt abfedern. Hier lägen „ungenutzte Ressourcen“, Mecklenburgs Küste sei nämlich „viel schöner als die von Schleswig-Holstein“.

Rahe weiß, wovon er spricht: Er hat einst mit seinem Partner und Lehrmeister in Abschreibungsgeschäften Rügen die unbestritten scheußlichste Touristenfalle an der Ostsee, „Damm 2000“, finanziert. Von alten Geschichten und seinen teils jahrelangen Prozessen mit geprellten Gläubigern will er nun aber nichts mehr wissen. Rahe gehört heute nur noch die „Beteiligungsgesellschaft für Grund- und Schiffsvermögen“ (BGS), die unter anderem „Mammut-Hansa-Linie“ Anteile hält. Deren Schiffe allerdings, allesamt Abschreibungsobjekte, lohnen sich nicht recht, das Branchenfachblatt kapital markt intern hat bei „Mammut“ eine Dauerkrise festgestellt.

Weitaus bessere Referenzen bringt da schon Partner Schüef mit. Er war auch einmal Vorsitzender des Deutschen Reederverbandes und hat gute Erfahrungen mit einem Beteiligungsmodell für Kapitäne gemacht, die mit eigenem Schiff auf eigenes Risiko Fracht transportieren, die Schüef ihnen über seine Laisz-Reederei vermittelt. „Die leben sparsam, aber gut“, sagt der Ehrenmann und s-p-itzt die Lippen für einen ganz besonders hamburgischen Anlaut im Wort „sparsam“. So klingt die Kaufmannstradtion am besten.

Nur dem Betriebsrat wäre jedoch eine Übernahme durch den Bremer Vulkan lieber gewesen. Aber auch Schüef weiß, daß Großreederei heute nur im Verbund möglich ist; ein Vertrag mit Vulkan über die Senator-Linie soll beibehalten werden, weiterer Partner ist die koreanische „Cho-Yang-Reederei“. Der monatelange Konkurrenzkampf zwischen der Bremer Vulkan und der Hamburger Reederszene scheint einer einvernehmlichen Teilung des Subventionskuchens gewichen zu sein.

Vulkan und Deutsche Seereederei werden im Großverkehr zusammenspannen, die Neu-Rostocker dürfen Touristen beglücken und Wohnungen bauen. Finanzkünstler Rahe hat sich dafür schon wieder etwas ausgedacht: Er will DSR-Mitarbeitern neue Eigentumswohnungen auch dann anbieten, wenn sie gar kein Geld haben, sie zu bezahlen.

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