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Auf der lukrativen Spur der Entrümpler

■ Ein Nachwuchs-Makler auf datenschutztechnisch bedenklichen Wegen Von Heike Haarhoff

Beerdigungsunternehmen, sagt Existenzgründer Gerd B., habe er „aus Gründen der Pietät“ nicht angesprochen. Seine sonstigen Grenzen beim Aufspüren leerstehenden Wohnraums in der Hansestadt pflegt der findige Hamburger jedoch recht locker zu ziehen: Sperrmüllabfuhr-Unternehmen und Firmen, die Haushaltsauflösungen durchführen, bittet er um die Adressen der gerade entrümpelten Wohnungen. „Für künftige Maklergeschäfte benötige ich Ihre Mithilfe, die ich bereit bin, großzügig zu vergüten. Adressen, aus denen sich ein erfolgreiches Maklergeschäft ergibt, werden mit 50 Prozent der ortsüblichen Maklercourtage als Geschäftsprovision an Sie vergütet“, versucht Gerd B. mit Rundschreiben vom 30. Januar, den Unternehmen sein – datenschutzrechtlich bedenkliches – Anliegen schmackhaft zu machen.

Gerd B. will Makler werden; die Lizenz beim Wirtschafts- und Ordnungsamt ist bereits beantragt. Damit, glaubt der Optimist, „läßt sich gutes Geld verdienen. Wohnungen werden immer gebraucht“. Sein derzeitiger Job als Remissionär beschädigter Bücher hängt ihm sowieso zum Hals raus. Nur: Wie sich einen Kundenstamm aufbauen? Wie unbewohnte Häuser und Wohnungen ausfindig machen, deren Eigentümer einen Makler wünschen, der ihnen die Qual der Mieterauswahl abnimmt?

Beim Blättern in den Gelben Seiten stieß der Hamburger schließlich auf Firmen, die die Haushalte Verstorbener oder aus anderem Grund ausgezogener Personen entrümpeln. „Mit denen ließe sich prima kooperieren“, hatte Gerd B. wohl den richtigen Riecher: „Die Resonanz“, versicherte er jüngst der taz, „ist hervorragend“. Die Entrümpler, so Gerd B.s Vorschlag, sollen bei den ehemaligen Mietern das Einverständnis einholen, ihre Adressen an ihn weiterzugeben. Sodann bietet er den jeweiligen Hausbesitzern seine Dienste als Makler an. „Ich könnte mir vorstellen, daß das datenschutzrechtlich überprüft werden muß“, distanziert sich der Sprecher der Hamburger Stadtreinigung, Gerd Rohweder, von den windigen Geschäftsanbahnungen des Gerd B.

Die Stadtreinigung sei, so Rohweder, hoheitlich mit der Abfuhr des Haussperrmülls betraut; was andere Entrümpelungs-Firmen machten, sei deren Sache. Auch die Juristen von Mieter helfen Mietern ziehen verwundert die Augenbrauen hoch und wittern Indiskretion.

Die, belehrt der Hamburger Datenschützer Detlef Malessa, sei nur gegeben, wenn die Unternehmen die Adressen ihrer Kunden ungefragt oder gegen deren Willen herausrückten. Im übrigen habe Gerd B. auf Nachfrage versichert, er werde die Adressen „nach erfolgloser Bearbeitung dem Reißwolf zuführen und nicht an Dritte weitergeben“. Außerdem werde er die Daten nicht automatisieren, sondern lediglich auf Karteikarten speichern. „Da gelten die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes nur sehr eingeschränkt“, sagt Malessa. Den Hamburger Datenschützern seien derzeit ohnehin die Hände gebunden: Vor tatsächlichem Beginn der Maklertätigkeit, „kann man gar nichts machen“.

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