piwik no script img

Auf der StraßeNokia hilft Bochum auf die Beine

Tausende Bochumer protestieren gegen die Verlagerung des Werks. Nokia-Spitze lädt Betriebsrat nach Finnland.

Lichterketten gegen Stellenabbau: Bochum protestiert gegen Nokia Bild: dpa

BOCHUM taz Es war ein Volksauflauf: Wenn die Gesichter nicht so ernst gewesen wären, hätte man sich auf dem Nokia-Werksgelände am Sonntag in Bochum wie auf einer Riesenparty fühlen können. Bis zu 7.000 Menschen zählte die Polizei auf dem Hauptparkplatz vor der silberblauen Fassade der Verwaltung. "Wir hoffen, dass der Tag ein Zeichen setzt nach Finnland", sagte Wolfgang Siebert, Mitglied des Nokia-Betriebsrats.

Die Bochumer Beschäftigten des norwegischen Handyherstellers und die Gewerkschaft IG Metall hatten zu diesem Aktionstag aufgerufen, der mit einer vier Kilometer langen Menschenkette ausklang.

Gekommen sind Menschen aus dem ganzen Ruhrgebiet, Schüler, Gewerkschafter, Kirchenleute, Vertreter der Grünen, der Linken, der CDU. Viele haben den Slogan auf ihren Transparenten: "Nokia Bochum muss bleiben". Immer wieder fällt das Schlagwort "Rheinhausen". Ende der 80er-Jahre kämpfte die Belegschaft des Duisburger Stahlwerkes monatelang erbittert um ihren Standort - vergeblich.

Herbert Kastner, der Betriebsratschef der ThyssenKrupp Steel, ist gekommen, "um den Leuten hier Rückendeckung zu geben". Man habe hier schon viel erlebt, sagt er: "Aber das hat sich bisher keiner getraut: ein Werk zu schließen, das Gewinn macht."

Dass die Entscheidung des Managements noch zu ändern ist, glaubt jedoch kaum einer. Das Werk wird nach Rumänien verlagert", meint Jörg Klug, der seit 24 Jahren bei Nokia arbeitet. "Aber ich bin überrascht, wie viele Menschen hierhergekommen sind". "Wir zeigen, dass wir nicht alles mit uns machen lassen, was sich die politische und wirtschaftliche Führung einfallen lässt", sagt Monika Smialkowski von Ver.di Bochum. Den ganz großen Kampf hält sie zwar für verloren. "Aber wir können immer noch höhere Abfindungen herausschlagen."

Der DGB-Vorsitzende in NRW, Guntram Schneider, fordert mehr Engagement von der Landesregierung: "Wir brauchen eine Bundesratsinitiative zur Änderung der Unternehmensmitbestimmung", ruft er von der Bühne. Für Werkschließungen müsse es einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat bedürfen. "Es darf nicht ganz ohne die Arbeitnehmervertreter gehen!"

Nachdem die Bochumer Betriebsräte wochenlang bei der finnischen Konzernleitung auf taube Ohren stießen, dürfen sie nun am Dienstag persönlich in Finnland vorsprechen. Ihr Vorschlag: Mit einer Erhöhung der Produktivität im Bochumer Nokia-Werk sollten so viele Arbeitsplätze wie möglich gesichert werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • R
    Roland

    Seit über 10 Jahren habe ich Handys von Nokia. Jetzt steht der Kauf eines neuen Handys an. Es wird kein Nokia mehr sein - obwohl ich damit bisher immer zufrieden war. Schade. Aber was sich diese Damen und Herren in Bochum leisten, das geht einfach nicht!

    Ich weiss, meine Aktion ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Und selbst wenn das einer der Nokia-Bosse lesen sollte, wird ihn das wohl nicht zur Besinnung bringen. Trotzdem ist mir das die Mühe Wert - aus Solidarität mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.