Auf der Buchmesse: Mit Buch, Handy und Rostbratwürstchen
Buchmessern (2): Wenn Literatureuphoriker, Literaturnostalgiker und Literaturverwalter mal Pause machen.
Milde Frankfurter Tage. Freundlich und zugewandt lächelt vom blauen Himmel die Sonne auf die Bücherfreunde und Eventfans dieser Welt. Während in den Messehallen das übliche Gedränge abläuft, herrscht auf dem großen Platz zwischen ihnen Campusatmosphäre.
Ungezwungen sitzen, liegen und lümmeln die Leute, und alle halten sie wenigstens einen der drei folgenden Gegenstände in der Hand: ein Buch, ein Handy oder zwei Rostbratwürstchen im Brötchen. Letztere bilden das Grundnahrungsmittel der Buchmesse. Für drei Euro kann man sie an Imbissbuden erwerben und dabei oft interessante interkulturelle Begegnungen beobachten. Im vergangenen Jahr, als Korea Messeschwerpunkt war, wurden die Würste von asiatischen Gruppen in einer Intensität bestaunt, wie sie der gemeine Frankfurter vor 20 Jahren dem ersten Sushi seines Lebens gewidmet hätte: als Ergebnis einer Mischung aus lukullischer Herausforderung und der Fremdheit eines ausländischen Kulturerzeugnisses. Und in diesem Jahr kollidiert der katalanische Redefluss mit der Maulfaulheit des deutschen Servicepersonals. Wörtertausch oder gar Lächeln, muss der katalanische Besucher lernen, ist im Preis keineswegs inbegriffen.
Wenn man sich den Spaß gönnt und sich, während man in die Sonne blinzelt, eine repräsentative Mittagspausenrunde aus Literaturkritikern zusammenfantasiert, müsste man dieses Jahr vor allem drei Rollen besetzen. Erstens: den Literaturnostalgiker. Das ist oft ein nicht mehr junger, aber einflussreicher Kritiker, der an der Erkenntnis seiner Jugend festhält, dass mit Literatur ein existenzieller Einsatz verbunden ist. Zum Beispiel schwärmt er gern darüber, welche Entgrenzungsleistungen frühere Schriftstellergenerationen vollbracht haben, wie sie die Grenzen der Form überschritten und dabei auch noch ein wildes, freies Leben führten. Hört sich etwas klischeehaft romantisch an, aber lesen Sie mal Ulrich Greiner in der aktuellen Zeit. Das ist genau das. Die Gegenwartsliteratur ist dem Nostalgiker irgendwie unter Niveau.
Als zweite Rolle wäre zu besetzen: der Literatureuphoriker. Er lobt oder verreißt stets unter Hochdruck. Wenn er in der Gegenwartsliteratur nichts Rechtes findet, weicht er in die dissidente Vergangenheit aus und entdeckt einen großen Autor, der gegen das Stalinregime anschrieb. Das Bücherschreiben ist dem Euphoriker vor allem eine Tat, die gewürdigt werden muss; die Details sollen später andere klären. Das Problem des Euphorikers besteht in Frankfurt allerdings aus der Entwertung der Literaturbeilagen. Die Bücher, bei denen er in die Vollen gehen konnte, hat er ja schon vorher genau am Erscheinungstag auf den normalen Literaturseiten wegbesprochen.
Drittens: der Literaturverwalter. Er nimmt die Bücher, wie sie kommen, und arbeitet sich an den Romanen ab, über die allgemein geredet wird. Er ist dafür zuständig, dass hinten auf den Buchcovern immer ein paar passende Werbesprüche stehen können. Manchmal fühlt er sich wie Sisyphos und sieht zweimal im Jahr seinen Stein an neuen Bücherbergen herunterrollen. Aber dann macht er sich wieder an die Arbeit und versucht redlich, die lesenswerten Bücher aus dem Angebot herauszufiltern.
Was sich Literatureuphoriker, Literaturnostalgiker und Literaturverwalter wohl in so einer Mittagspause zu sagen hätten? Möglicherweise würden sie alle drei nur schweigend ihre Rostbratwürstchen verzehren.
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