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Auf dem Weg vom ABV zum Kob

■ Prenzlauer Berg: Neues Revier für einen Berliner Schutzpolizisten/ Derzeit gehen die Beamten noch gemeinsam auf Streife/ »Uniform ist Uniform«

Berlin. »Herr Wachtmeister«, fragt die junge Frau irritiert, »warum klebt denn ein roter Punkt auf meinem Auto?« Polizeioberkommissar Dieter Alkenings erläutert ruhig, daß ihrem »Trabant« die Kennzeichen fehlten. Der rote Punkt bedeute, daß der Wagen von der Straße verschwinden müsse. Die Frau schüttelt den Kopf: »Das geht nicht.« Ein Käufer habe schon vor einer Woche die Schilder und Papiere zum Ummelden mitgenommen. »Wiedergekommen ist er nicht.« Alkenings holt seinen Block heraus und notiert die persönlichen Daten der Frau aus der Krügerstraße im Prenzlauer Berg. Eine Anzeige ist fällig.

Eine alltägliche Szene im Dienst des Kontaktbereichsbeamten (Kob) Alkenings. Sein Einsatzort ist für ihn aber immer noch neu und ungewohnt: einige Straßenzüge am Rande vom Prenzlauer Berg. In dem Altbauquartier wohnen bunt gemischt alte Menschen, Künstler und junge Leute. Alkenings kam nach der Wiedervereinigung aus West-Berlin. Sein alter Bezirk lag im Wedding, nur drei Kilometer weit entfernt. Das neue Gebiet kommt ihm ruhiger vor: »Ich habe einen Sahnebereich erwischt«, sagt der 52jährige.

Alkenings wird begleitet von Polizeimeister Heinz Schrimpf (38), der noch seine alte Volkspolizisten- Kluft trägt. Das macht ihm nichts aus. »Uniform ist Uniform«, sagt er trocken. Daß sich die Bürger zuerst an Alkenings wenden, stört ihn auch nicht. Bis er allein auf Streife gehen kann, wird es noch einige Zeit dauern. Zusätzlich zu der für alle ehemaligen Vopos obligatorischen Umschulung muß er noch für den Kob- Dienst ausgebildet werden. Bis dahin seien ihm »hoheitliche« Aufgaben verwehrt, sagt er: »Zum Beispiel Festnahmen von Bürgern.«

Alkenings und Schrimpf sind zur Zeit vor allem mit dem desolaten Zustand ihres Bezirks beschäftigt: fehlende und kaputte Verkehrsschilder, eingesenkte Bürgersteige und wild abgekippter Sperrmüll. Zudem stehen viele herrenlose Autos auf der Straße herum. Einbrüche und Diebstähle seien dagegen relativ selten. Im Nachbarsprengel, der an die Schönhauser Allee grenzt, ist weit mehr los. Brandstiftungen, aufgeknackte Spielautomaten und Schußwaffenbedrohung von Disko-Besuchern seien sein tägliches Brot, erzählt Alkenings' Kollege Dieter Matthews. Auch er ist ein »Westimport«.

Rund 1.800 Schutzpolizisten aus dem Westteil der Stadt sorgen derzeit für Sicherheit in den östlichen Bezirken. Über 200 davon sind Kontaktbereichsbeamte wie Dieter Alkenings. Seit Mitte der 70er Jahre sollen die Kobs im Westen den alten »Schupo an der Ecke« ersetzen. In ihrem Revier bekämpfen sie Verbrechen, überwachen den Straßenverkehr und helfen den Bürgern bei Alltagsschwierigkeiten — so ihre offizielle Aufgabenbeschreibung.

Die »Abschnittsbevollmächtigten« (ABV) der einstigen Volkspolizei, die ähnliche Aufgaben wie die Kobs erfüllten, sind von der Bildfläche verschwunden. Ihnen waren sogar noch bis zu 20 »freiwillige Helfer« zu allen möglichen Informations- und Spitzeldiensten zur Seite gestellt. Der ABV, der früher im Kiez wie ein kleiner König herrschte und sogar Ausreiseanträge annahm, versieht jetzt normalen Streifendienst bei der Polizei. Die neuen Kollegen haben nur selten einen ihrer Vorgänger zu Gesicht bekommen. Auch Alkenings und Schrimpf wissen nicht, wer vor ihnen im Revier patrouillierte. Christian Böhmer, dpa

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