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Auf dem Markt von MysoreWarum Indien boomt

Muzamil ist ein Verkaufsgenie. Der Zwölfjährige verkauft Duftöl und produziert Räucherstäbchen mit der besonderen Calvin-Klein-Note.

Mahishasura, Mysore Bild: Vasanth Kumar/sxc

August 2006 - Südindien. Der Monsun prasselt seit Einbruch der Dunkelheit vom Himmel. Mühsam kämpft sich der 15 Jahre alte, staubweiße Ambassador über die steilen Serpentinen von Schlaglöchern mit ein wenig Straße drum herum. Überholmanöver mit schwerfälligen Lastwagen, aufblendender Gegenverkehr. Pradhan, unser Fahrer, findet immer wieder eine kleine Lücke, durch die er den antrittsschwachen Oldtimer bugsiert. Für die 200 Kilometer von Mangalore auf die Hochebene von Mysore brauchen wir schließlich sechs Stunden und Nerven aus Stahl.

Eher zufällig stolpern wir am nächsten Morgen auf den lokalen Markt von Mysore: Blumenflechterinnen binden in mühevoller Kleinarbeit die einzelnen Blüten zu duftend-leuchtenden Ketten zusammen, mal orangefarben, mal weiß, mal kunterbunt. Hier ein Schuster in seiner Werkstatt, die kaum größer ist als eine Telefonzelle, dort ein Früchtehändler zwischen kunstvoll errichteten Obsttürmen. Eine von Feldarbeit gegerbte Bauersfrau hockt auf einem Sisalsack und bietet vorher nie gesehene, asiatische Knollengewächse. Nur wenige „White Skins“, wie die Inder weißhäutige Europäer häufig nennen, mischen sich in das Marktgeschehen.

„Guten Tag, wie gehts?“, ertönt es irgendwo aus der geschäftigen Geräuschkulisse des Marktes. „Kommen Sie, ich zeige eine Räucherstäbchenfabrik.“ Die aufgeweckte Stimme, die uns da in erstaunlich gutem Deutsch anspricht, gehört Muzamil. Er ist zwölf Jahre alt, und sein dunkles Gesicht besticht durch ein strahlend weißes Lachen. Ehe wir uns versehen, führt Muzamil uns schon zu einem Laden. Eine winzige Holzbude zwischen anderen kleinen Läden - zum überdachten Markt hin offen. Hier empfängt unser neuer Bekannter seine Kunden. Unter dem Tresen sehen wir offene Schubladen mit allem, was irgendwann vielleicht noch mal nützlich werden könnte. In einer Vitrine einige Flakons. Größere und kleinere Gefäße mit Duftölen zieren die Rückwand.

Er setzt sich an einen kleinen Tisch, auf dem einige Materialien liegen. Dann beginnt er damit, ein Bambusstäbchen in einer Paste aus Holzpulver mit Bindemittel hin und her zu rollen. In einem lustigen Mix aus Englisch und Deutsch erklärt er, dass so Räucherstäbchen gemacht würden. Ein Räucherstäbchen aus der Muzamil-Produktion ist gerade fertig, da halten wir es auch schon in der Hand.

Nach dem Verlust des Vaters arbeitet Muzamil im Duftöl-Laden seines Onkels, um die Familie durchzubringen Er erzählt von seiner Familie: Sein Vater ist vor ein paar Jahren gestorben. Von seiner Mutter hat er gelernt, wie man Räucherstäbchen produziert. In einer Räucherstäbchenfabrik fertigt sie als Arbeiterin täglich tausende Stück. Muzamil geht nicht in die Schule. Seit dem Tod seines Vaters arbeitet er für seinen Onkel, dem der kleine Duftöl-Laden gehört.

„In jedem Räucherstäbchen steckt Duftöl“, lenkt er sein Verkaufsgespräch gekonnt auf das Wesentliche. Verschiedene Flakons werden hervorgeholt und zum Testen auf unsere Hände gestrichen. „Und? Nach was riecht dieses hier?“, fragt er. Es kommt uns sehr bekannt vor. „Calvin Klein“, sagt er und rechnet uns vor, wie teuer dieses mit Alkohol gestreckte Duftöl in der Hochglanzverpackung ist. Noch ein Flakon wird geöffnet. Diesmal pustet Muzamil uns den Duft ins Gesicht: Wir tauchen in eine Wolke von Orange. Mithilfe einer Liste von gut 20 Ölen von Citronella bis Wassermelone weiht er uns weiter in die Hintergründe der kommerziellen Parfumwelt ein und erklärt uns, wie hervorragend man die Öle auch als Badezusatz und wärmendes Massageöl verwenden könne. Muzamil holt mehrere kleine Glasflakons mit goldenem Schraubverschluss und eine passende Holzkassette aus einer Schublade hervor. „Geschenke aus Indien für Freunde“, regt er unseren Souvenirinstinkt an. „Gibt es dazu, wenn Sie ein Fläschchen Duftöl nehmen.“ Auf Nachfrage verrät er auch dessen Preis: 50 ml Duftöl für 400 Rupien (8 Euro). Er könne auch große Mengen liefern, auch nach Europa, und zeigt uns in einer Kladde eine Bestellung aus Deutschland von mehreren Litern.

Ich bestelle 50 ml Wassermelone für 400 Rupien, wohl wissend, dass der durchschnittliche Tageslohn in Indien bei 100 Rupien liegt. Als ich zusätzlich um einige Bambusstäbchen bitte, schaut mich Muzamil verwundert und neugierig an. Ich erzähle ihm, dass meine Mutter solche Stäbchen offen in den Duftölflakon stellt, um so den Duft gleichmäßig verdunsten zu lassen. Sein entzücktes Gesicht und die glänzenden Augen verraten, dass sich diese Idee schon bei seiner nächsten Verkaufsshow wiederfinden wird.

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