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Auf dem Hamburger Teil der Autobahn A7 lässt sich erleben, wie das Land ticktVom Privileg des Mitschwimmens

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Eines der modernen Hamburger Dramen spielt sich Tag für Tag auf der A7 zwischen Elbtunnel und der nördlichen Stadtgrenze ab. Die Autobahn soll ja erweitert und teilweise überdacht werden, damit sie nicht mehr lärmt, verstopft, stinkt und die Stadt in zwei Teile schneidet. Diesen Um- und Ausbau erlebt die A7 bei laufendem Betrieb. Anfangs habe ich die kilometerlange Mega-Baustelle gehasst. Mittlerweile weiß ich ihre Qualitäten als befahrbare Installation zu schätzen.

Da ist zum Beispiel die Auffahrt Schnelsen in Richtung Elbtunnel. Die Auffahrt besteht aus einer Rampe, die von einer Brücke herab fast direkt auf die Fahrbahn führt. Es gibt keinen Beschleunigungsstreifen mehr. Braucht es auch nicht: Die Autos auf der A7 fahren so langsam, dass das Einfädeln auch ohne Anlauf geht.

Die Hamburger A7 ist ein Organismus, der darnieder liegt, aber nicht kollabiert. Der Verkehr fließt zäh, aber er fließt. Völligen Stillstand habe ich nie erlebt und im Lauf der Zeit gelernt: Alle Alternativrouten dauern länger. Die A7 ist ein Statement dafür, sich einzureihen und im Individualverkehr genau das zu tun, was alle anderen machen. Damit verkörpert die A7 ein Paradox der Gegenwart: Das Individuelle wird als Idee weiter hochgehalten, aber voran kommt man nur mit der Masse. Echte Individualisten sind heute nicht mehr vorne mit dabei, sondern diejenigen, die abgehängt werden.

Interessant wird es auf der A7 dann, wenn innerhalb der Masse individuelle Entscheidungen nötig werden. Auf der Fahrbahn Richtung Elbtunnel steht derzeit ein Schild, das eine Umleitung der dritten Fahrspur ankündigt. Die Umleitung führt weg von den anderen beiden Spuren und hat auch etwas mit dem Verpassen von Ausfahrten zu tun. Was genau, lässt sich dem kryptisch gestalteten Schild nicht auf Anhieb entnehmen.

Die Frage ist: Geht man das Risiko der Umleitung ins Unbekannte ein oder fließt man mit der Mehrheit mit? Viele Fahrer entschließen sich im letzten Moment für die Mehrheit. Ich habe das Unbekannte probiert und kann sagen: Es lohnt sich.

Die Umleitung führt auf eine Spur der Gegenfahrbahn. Das fühlt sich nach Geisterfahrt an und wirft die spannende Frage auf, wo man rauskommt. Die A7 als Irrgarten.

Das hat weitreichende Konsequenzen. Die Verkehrsbehörde hat zum Beispiel eine kostenlose A7-App entwickelt, deren Nutzwert gegen null geht. Der HVV hatte 2015 für genervte Autofahrer ein ermäßigtes HVV-Abo mit „A7-Bonus“ im Angebot. Und ich beobachte manchmal einen Rückstau, der bis vor mein Fenster in Niendorf-Nord reicht.

Denn das Problem mit der A7 ist nicht das Mitschwimmen im zähen Fluss; das Problem ist, überhaupt auf die Fahrbahn zu kommen. Es ist ein Problem, das viele tausende (Neu-)Bürger hierzulande kennen: Du willst dabei sein, aber Dir fehlt der Zugang. Auch insofern ist die A7 ein Abbild des gegenwärtigen Deutschlands. Deshalb plädiere ich für den Erhalt im aktuellen Zustand. Und hoffe auf freundliche Leserpost.

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