Auf Du und Du mit der Wüste: Bremen dreht Halse um
■ Grundwasserentnahme gefährdet Naturschutzgebiete und Erträge
Die Halse bei Verden war einst ein munterer Bach. Jahrhundertelang wurde seine Wasserkraft genutzt. Doch wo das Wasser früher etliche Mühlräder antrieb, tröpfeln heute nur noch dünne Rinnsale aus den Mühlteichen. Erstmals fiel der Bachlauf in diesem Jahr trotz des nassen Winterwetters trocken.
Deshalb schlägt die Bürgerinitiative „Rettet das Halsetal“ einmal mehr Alarm: Schützenswerte Flächen in der Umgebung sind von der Austrocknung bedroht, und die Landwirte klagen über sinkende Erträge. Schon vor einem Jahr hatte die Initiative in einer Petition an den Landtag gefordert, Niedersachsen solle wegen der schweren Schäden die Fördermenge zurückführen. Bremen soll im Rahmen der gemeinsamen Landesplanung zu einer eigenständigeren Wasserversorgung angehalten werden.
Im September legten die Naturschützer nach: Mit zwei Gutachten des Bremer Uni-Professors Jörg-Friedhelm Venzke entkräfteten sie die im Auftrag des Trinkwasserverbandes Verden angefertigte Expertise der Kieler Firma Geosystem. Darin wurden in erster Linie Eingriffe in den Flusslauf, eine neue Kanalisation und die Klimaveränderung für die Austrocknung des Flüsschens verantwortlich gemacht, nicht aber die Wasserentnahme. Zusätzlich belegt ein Gutachten des Bremer Biologen Hermann Cordes die Schutzwürdigkeit der betroffenenen Gebiete: immerhin zwei Naturschutzgebiete, ein flächenhaftes Naturdenkmal, vier Landschaftsschutzgebiete, 25 Biotope sowie vier Flächen, die seit 1995 darauf warten von Landkreis als Naturschutzgebiete ausgewiesen zu werden. In einem zweiten Nachtrag zur Petition legte die Initiative kürzlich alarmierende Daten vor: Seit 1993 ist der Grundwasserspiegel im zentralen Entnahmebereich um bis zu 3,50 Meter gesunken; im Randbereich um durchschnittlich 1,50 Meter.
Da Bremen jährlich sieben Millionen Liter Trinkwasser aus dem Halsetal bezieht, wandte sich die Initiative nun hilfesuchend an die Bürgerschaftsfraktionen. „Aber wir haben nur von den Grünen Antwort bekommen“, klagt Heinrich Helberg, der selbst für die CDU im Verdener Kreistag sitzt. Karin Mathes, umweltpolitische Sprecherin der Grünen, hat zum Besuch vor Ort ihre Gummistiefel vergebens mitgebracht. Die Abgeordnete war schockiert: „Das Bett der Halse ist fast vollständig ausgetrocknet. Wertvolle Erlenbruchwälder gehen kaputt.“
Die Grünen fordern deshalb ein Ende des Trinkwasserbezuges aus Verden. Aber auch die von den Stadtwerken (swb) favorisierte Kompensation durch andere Grundwasserlieferanten lehnen sie ab: „Dort wird es über kurz oder lang ähnliche Probleme geben. Die Folgeschäden treten nur immer erst mit erheblicher Verzögerung auf“, sagt Mathes. Außerdem werde die Grundwasser-Qualität immer schlechter, während sich die Belastung des Weserwassers tendenziell verringere. Deshalb fordern die Grünen erneut einen Stopp der Bebauungspläne auf dem Stadtwerder. Erst müsse die swb die bislang geheimgehaltenen Ergebnisse des Pilotprojekts zur Trinkwassergewinnung offenlegen, damit diese Variante einer eigenständigen Trinkwasserversorgung einschätzbar werde. Die Uferfiltrat-Gewinnung auf einer Stadtwerder-Restfläche von 7.000 Quadratmetern ist für Mathes dagegen keine ausreichende Option: Im Falle eines Giftunfalls an der Weser gäbe es kein Trinkwasser-Reservoir. Vor der Fortsetzung der Planungen verlangt Mathes eine Machbarkeitsstudie. not
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