Auf Du und Du mit der Supermarkt-Erpressung: Schnelle Entwarnung macht gelassen
■ Polizei fand in zwei betroffenen Bremer Läden keine vergifteten Lebensmittel
Erpressung von Supermärkten scheint zu einer Lieblingsbeschäftigung für einfallslose Gangster zu werden. Aber Kunden, Polizei und Lebensmittelkonzerne reagieren zunehmend gelassen auf Drohungen mit vergifteten Senftuben oder Schokoriegeln, wie sie in der Nacht zum Mittwoch auch die Bremer Polizei und einige Supermärkte getroffen hatte.
Ziel der Erpresser ist wieder einmal die Firma Thomy, die dem Lebensmittelmulti Nestlé gehört. In Bremen wurden Thomy-Produkte aus dem EuroSpar-Laden am Hauptbahnhof und aus einem Aldi-Markt in der Nordstraße sichergestellt, nachdem die Erpresser beide Geschäfte auf ihrer 50 Läden umfassenden Opferliste genannt hatten.
Gestern gab die Polizei im Laufe des Tages wieder Entwarnung: Die beschlagnahmten Produkte seien alle in Ordnung und es gäbe keinen Verdacht auf Vergiftungsfälle. Trotzdem rät sie den BürgerInnen, weiterhin bei älteren Thomy/Nestlé-Produkten vorsichtig zu sein.
In der Nacht zum Mittwoch hatten die Beamten im Eurospar am Bahnhof einen Kleinlaster voll betroffener Produkte sichergestellt. Im Aldi an der Nordstraße waren es am Mittwochmorgen dann ungefähr fünf vollgepackte Einkaufswagen. Stefanie Drewes, stellvertretende Marktleiterin bei Aldi, sieht's gelassen: „Es fragen kaum Leute, ob die Sachen ausgetauscht wurden.“Der Betrieb liefe genauso wie sonst auch, meint die junge Frau. Auch die Kunden ereifern sich nur wenig. Bei diesen Temperaturen werde meist eh nur Eis, Wasser und Bier tütenweise aus dem Laden geschleppt.
Weniger gesprächig war der Marktleiter beim Eurospar: „Keine Auskunft“Viele KundInnen sagten, sie kauften seit April sowieso keine Thomy-Produkte mehr. Damals hatten Unbekannte unter anderem einen Lidl-Markt in Osterholz erpreßt, es wurden jedoch keine vergifteten Waren gefunden.
Die Erpressungsversuche bei Lebensmittel-und Getränkekonzernen haben Konjunktur. Es lockt das schnelle Geld, weil die Täter mit der Angst der Konzerne vor Umsatzverlusten rechnen. Im Januar erwischte es die Lebensmittelketten Rewe, Edeka und Aldi, im März traf es dann das Nestlé-Tochterunternehmen Maggi und auch die Gilde-Brauerei in Hannover.
Seit 1992 stieg die Zahl der Erpressungen von 4000 auf 6800 Fälle an. Der Deutsche Einzelhandelsverband muß sich nach eigenen Angaben pro Woche mit zwei Erpressungschreiben herumschlagen.
Thomas Feltes, Forscher für Kriminalitätsentwicklung an der Fachhochschule der Polizei in Baden-Württemberg, vermutet „ein großes Dunkelfeld“von nicht veröffentlichten Erpressungen. Viele Firmen zahlten das Geld einfach.
Die Chancen der TäterInnen, mit den Millionen zu verschwinden, sähen schlecht aus. Die Geldübergabe werde ihnen oft zum Verhängnis. kk
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