piwik no script img

schnittplatzAuch hier wohnt ein Pädophiler

In den USA gibt es seit 1996 eine Meldepflicht für „Personen, die wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern eine Haftstrafe verbüßt haben“ und weiterhin als gefährlich gelten. Dieses zum Schutz möglicher Opfer erlassene Gesetz ermöglicht einer neighbourhood, zugezogene Ex-Sexualstraftäter öffentlich anzuprangern und deren Wohnortwahl zu kritisieren. Als Ex-Sexualstraftäter gelten dort übrigens auch Menschen, die freiwillige Beziehungen mit noch nicht volljährigen Partnern hatten, das gebietet der Jugendschutz.

In Großbritannien hat jetzt eine Boulevardzeitung nach US-Vorbild eine Liste mit verurteilten Kinderschändern veröffentlicht: Unter der Überschrift „Lebt ein Monster in ihrer Nähe?“ hat das auflagenstärkste Murdoch-Blatt News of the World eine Kampagne „to name and shame Britains paedophiles“ gestartet. 110.000 verurteilte Pädophile sollen laut News publik gemacht werden. Anlass war der Fall einer Achtjährigen, die vermutlich von einem Kinderschänder ermordet worden war.

Und ein weiteres Blatt beteiligte sich an der Aktion: Die Sunday People rief ihre LeserInnen auf, per Telefon abzustimmen, ob pädophile Sexualverbrecher, die gemordet hätten, gehenkt werden sollten.

Zwar habe die NOW nicht die genaue Anschrift der mit Foto veröffentlichten Täter angegeben, aber der Streitpunkt bleibt: Die Redakteure argumentieren, dass 64 Prozent der Täter rückfällig würden, ein Beweis, dass die Wiedereingliederung nicht funktioniere. Die Vereinigung zur Resozialisierung von Sexualtätern befürchtet dagegen, dass „angeprangerte“ Täter so in den Untergrund getrieben würden. Die Politik äußert sich besorgt vor allem darüber, dass aus Versehen Unschuldige auf die Liste geraten könnten, wie es in der Vergangenheit in den USA übrigens schon passiert ist.

Die Gefahr solcher Aktion: Sie provoziert eine Lynchjustiz, anstatt die vorhandenen Straf- und Resozialisierungsmöglichkeiten zu verändern bzw. zu verbessern. Und dass gerade ein Blatt wie NOW mit der Angst der Leser Auflage macht, ist typisch. JZ

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen