Auch Schwule dürfen ans Gewehr

■  Straßburger Menschenrechtsgerichtshof: Großbritannien darf Schwule und Lesben nicht von Streitkräften ausschließen. Behauptung einer „Schmälerung der Einsatzkraft“ zeige „negative Einstellung“ von Heteros

Straßburg (taz) – Wer Homosexuelle generell vom Dienst in der Armee ausschließt, verletzt die Menschenrechte. Dies stellte gestern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg fest. Vier britische Ex-SoldatInnen, vom Matrosen über eine Krankenschwester bis zum Leutnant, hatten mit ihrer Klage Erfolg. Auf Deutschland ist das Urteil nicht direkt übertragbar, da hier für Schwule „nur“ die Verwendung als Vorgesetzte ausgeschlossen ist.

Geklagt hatten in Straßburg vier englische Armeeangehörige, drei Männer und eine Frau, die in den Jahren 1993 bis 1995 allein wegen ihrer Homosexualität entlassen worden waren. Dienstlich hatten alle hervorragende Beurteilungen vorzuweisen. Doch in der britischen Armee wird Homosexuealität nicht geduldet, da diese die „moralische und militärische Effektivität“ der Streitkräfte beeinträchtige. Bis 1994 galt homosexuelles Verhalten in der Armee sogar noch als Straftat.

Der Europäische Gerichtshof stellte jetzt fest, dass die englische Politik das in der Konvention garantierte „Recht auf Privatleben“ der Soldaten verletzt habe. Großbritannien hatte zuvor darauf beharrt, die Akzeptanz von Schwulen und Lesben in der Armee führe zu größeren Problemen als die Integration von Frauen oder von Nichtweißen. Dieses Argument wiesen die Richter zurück. Eine solche Einschätzung beruhe lediglich auf der „negativen Einstellung der Heterosexuellen gegenüber jenen, die gleichgeschlechtliche Vorlieben haben“, heißt es in dem Urteil. Die britische Regierung musste sich vorhalten lassen, dass es auch in zahlreichen anderen Staaten möglich sei, als Homosexueller der Armee anzugehören. Ein generelles Verbot vom Waffendienst für Schwule gibt es nach Informationen eines britischen Gerichts nur noch in der Türkei, Luxemburg, Portugal und Griechenland.

Für konventionswidrig erklärte das Gericht auch die Ermittlungsmethoden der Militärpolizei. Wer der Homosexualität verdächtigt wurde, musste sich entwürdigenden Interviews unterziehen. Gefragt wurde dabei nach allen Einzelheiten des homosexuellen Sexuallebens („Haben Sie in B.s Mund ejakuliert?“), auch wenn die Homosexualität an sich gar nicht mehr bestritten wurde. Viele Betroffene empfanden diese Befragungen als „psychische Vergewaltigung“.

Wie es weitergeht, muss nun die britische Regierung entscheiden. Großbritannien kündigte an, sich dem Urteil zu beugen. Das gestrige Urteil gibt den Betroffenen jedoch keinen Anspruch auf Wiedereinstellung. Die Betroffenen haben allerdings Anspruch auf Entschädigung, über deren Höhe Straßburg gesondert entscheiden will. Klar ist, dass jeder entsprechende Fall in Straßburg ebenfalls Erfolg haben wird.

Vor dem Bundesverfassungsgericht ist derweil der Fall eines schwulen Oberleutnants anhängig, der wegen seiner Homosexualität in den Innendienst versetzt wurde. In Deutschland gibt es zwar keine Zugangssperre zur Armee, aber ein Verwendungsverbot als Vorgesetzter und Ausbilder. Karlsruhe will nächstes Jahr über den Fall entscheiden.

Christian Rath