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Auch „Brandbriefe“ blieben ohne Antwort

■ Mykonos-Untersuchungsausschuß: Verfassungsschutz drang mit Stellenforderungen nicht bei Senator Heckelmann durch

Trotz mehrerer „Brandbriefe“ des Verfassungsschutzes hätten Innensenator Heckelmann (CDU) und sein Staatssekretär Jäger nicht die Dringlichkeit gesehen, Stellen zur telefonischen Überwachung von Verdächtigen einzurichten, erklärte gestern Verfassungsschutz- leiter Heinz Annußek im Untersuchungsausschuß. Das Attentat auf iranische Oppositionelle, bei dem im September 1992 im Restaurant „Mykonos“ vier Menschen starben, hätte damit möglicherweise verhindert werden können. Annußek gab an, mit dem Innensenator seit dessen Amtsübernahme im Frühjahr 1991 nur „einige, wenige Male“ persönlich gesprochen zu haben. Heckelmann habe ihm erklärt, auch in „wichtigen und dringenden Angelegenheiten“ sei Staatssekretär Jäger der „Ansprechpartner“.

In der Folge sei es ihm nur unter größten Schwierigkeiten gelungen, zum Senator durchzudringen, so Annußek. Der Innensenator habe ihn auch aus der wöchentlichen Abteilungsleiterrunde der Verwaltung ausgeladen. Begründung: der Verfassungsschutz habe als nachgeordnete Behörde in der Runde nichts zu suchen. Heckelmann- Vorgänger Pätzold (SPD) hatte dagegen vertreten, eine enge Bindung des kurz zuvor als selbständig ausgegliederten Verfassungsschutzes sei notwendig.

Die Zusammenarbeit mit Staatssekretär Jäger bezeichnete der VS-Chef als anfänglich problematisch, weil es nicht gelungen sei, einen „festen und regelmäßigen Termin“ zum Vortrag zu erhalten. Inzwischen sei der Kontakt aber „gut“ und „ausreichend“.

Die Einrichtung neuer Stellen im Bereich der „Vorüberwachung“ sei seit einem „Veränderungsverbot“ im Herbst 1991 blockiert gewesen, erklärte Annußek. Auch Umsetzungen im Landesamt seien untersagt worden, obwohl Personal für die neuen Aufgaben ausgebildet wurde und für diesen Einsatz bereitstand. „Ganz hohe, erste Priorität“ habe für den Senator offenbar ein genereller Stellenabbau beim Verfassungsschutz gehabt. Wegen des „Veränderungsverbots“ hätten Fach- und Führungskräfte an wichtigen Stellen gefehlt, unter anderem im Bereich Rechtsextremismus, Ausländerextremismus und Staatsterrorismus. Er sei mit „einer Reihe von Versuchen gescheitert“, diese Vorgabe der Stellenstreichungen zu durchbrechen, gab Annußek zu Protokoll. Ergebnislos blieben auch mehrere Briefe, in denen die sogenannten „G-10“-Stellen als „unverzichtbar“ bezeichnet wurden. Erst Ende August 1992 – wenige Wochen vor dem Mykonos-Attentat – habe der Innensenator sich die Forderung gegenüber dem Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses zu eigen gemacht. Wenige Tage danach hoben die Parlamentarier den Stellenstopp auf – zu spät, um die zu diesem Zeitpunkt bereits laufenden Attentatsvorbereitungen zu entdecken und zu stoppen. „Bedingt einsatzbereit“ war die „G-10“-Stelle erst im Oktober 1992; einen Monat nach den tödlichen Schüssen. Gerd Nowakowski

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