: Auch Böhme Stasi-Spitzel?
■ Ex-SPD-Vorsitzender soll Schriftsteller Reiner Kunze überwacht haben/ Böhme streitet Vorwürfe ab
Berlin (dpa/taz) — Der frühere SPD-Vorsitzende in der DDR, Ibrahim Böhme, hat nach Angaben des Hamburger Nachrichtenmagazins 'Der Spiegel‘ neben Lothar de Maizière ebenfalls als Informeller Mitarbeiter für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet. Er soll unter anderem den Schriftsteller Reiner Kunze überwacht haben. Kunze habe die Originalunterlagen der Stasi-Bezirksverwaltung Gera einsehen können, die den Vorwurf bestätigten. Ibrahim Böhme soll den Auftrag gehabt haben, „Kunze auszuspähen, seine Gesinnung zu erforschen, seine Treffs zu kontrollieren, sein Vertrauen zu erschleichen und ihn am Ende zu verunsichern“. Der SPD-Politiker — heute Polizeibeauftragter beim Berliner Magistrat — streitet die Vorwürfe ab. Bereits im Frühjahr mußte sich Böhme massiven Angriffen in Bezug auf seine vermeintliche Stasi- Vergangenheit erwehren. Ob er diesmal heil davonkommt, bleibt abzuwarten. Der 1977 aus der DDR ausgebürgerte Schriftsteller Kunze soll anhand seiner eigenen Akte belastendes Material zusammengetragen haben. Danach hat Böhme vom 21. Dezember 1970 bis zum 5. Februar 1974 unter dem Decknamen „August Drempker“ und vom 8. März 1975 bis zum 11. März 1977 als „Paul Bonkarz“ für die Stasi gearbeitet. Böhme, einer der DDR-SPD-Gründungsväter und jetziges Mitglied des Gesamt-SPD-Bundesvorstandes, kommentierte die Beschuldigungen in dem Magazin mit den Worten: „Das sieht natürlich mau aus.“
Ob sich „bei der Beweislast“ überhaupt ein Anwalt für ihn finde, sei „unwahrscheinlich“. Aber: „Ich gebe nicht auf.“ Böhme hatte nach den ersten Vorwürfen einer Stasi- Mitarbeit am 2. April 1990 alle Parteiämter bei der Ost-SPD niedergelegt. Der SPD-Politiker hatte jedoch immer wieder betont, er sei niemals Stasi-Mitarbeiter gewesen.
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