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Au Backe! Zahnklempner im Gebühren–“Streik“

■ Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte erklärte den Montag zum Kampftag der Dentisten gegen die Blümsche Gebührenordnung / Schrecklich: Den Bohrmeistern droht die soziale Verelendung! / Überfülltes „Streiklokal“ in Frankfurt

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Wenn dein starker Arm es will, stehen alle Bohrer still. So oder ähnlich könnte das Motto des Freien Verbandes der Deutschen Zahnärzte e.V. gelautet haben, der - zusammen mit anderen zahnärztlichen Vereinigungen - alle Zahnärzte der Republik am Montag zur „Demonstration des Widerstandes“ gegen den neuen Entwurf der zahnärztlichen Gebührenordnung des Bundesarbeitsministeriums aufrief. So blieben gestern auch in Hessen die Praxen „kalt“, denn die Dentisten versammelten sich ab 11 Uhr zum Protest im noblen Zoo–Gesellschaftshaus, in dem anschließend das Gespenst vom „armen Zahnarzt“ umging. Die armen Patienten mit vereiterten Backenzähnen und herausgefallenen Kronen mußten derweil mit einem „erweiterten Notdienst“ vorliebnehmen, den die kampfbereiten Dentisten organisiert hatten. Doch der Streik der Zahnärzte, so Verbandssprecher Dr. Grosse unter dem Beifall von gut 1.000 Zahnärzten, richte sich nicht gegen die Patienten, sondern gegen die „Hetzkampagnen gegen unseren Berufsstand“, die vor allem der amtierende Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) ange zettelt habe. Grosse: „Das, was die Bundesregierung und Blüm gemacht haben, ist ein gesellschaftspolitischer Skandal.“ Es geht um die neue Gebührenordnung für die bundesdeutschen Zahnärzte (GOZ), mit der Blüm - so die Dentisten - das „Ansehen der deutschen Zahnärzteschaft schädigen“ und die „Freiheit der Berufsausübung einengen“ wolle. Im Kern geht es darum, daß der Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums auch bei der zahnärztlichen Behandlung von Privatpatienten die kassenärztliche Gebühren– Meßlatte angelegt sehen will. Darüber hinaus gehen mit dem Entwurf Gebührensenkungen für lukrative Teilarbeitsbereiche wie etwa für die Kieferchirurgie einher, die „erhebliche Einnahmeverluste für die Zahnärzteschaft“ mit sich bringen würden. Doch da sich - laut Grosse - die Zahnärzte nicht länger als „unseriöse Geldzähler“ beschimpfen lassen wollten, wurde im Zoo–Gesellschaftshaus vornehmlich das „Wohl des Patienten“ beschworen: „Wir brauchen keinen armen, sondern einen guten Zahnarzt“, meinte Grosse unter dem tosenden Beifall des Auditoriums, dessen Mitglieder mit ihren Luxuskarossen den gesamten Zoo–Bereich zugeparkt hatten. Bereits im vergan genen Jahr seien die Honorare der Zahnärzte um mehr als 10 die Patienten auch noch mit der Stoppuhr behandelt werden“. Wiederholt beschworen die Redner die „guten alten Zeiten“ unter sozial–liberaler Ägide, als die „freie Arztwahl“ und die „freie Wahl der Behandlungsmethoden auch durch den Patienten“ noch nicht zur Disposition gestanden hätten. Der CDU–Bundesarbeitsminister habe die Zahnärzte dagegen zu den „Buhmännern der Nation“ hochstilisiert. Am Ende der Pläne Blüms, so das Verbandsorgan zahnarzt aktuell, stehe dann der „Einheitszahnarzt in der Kleinpraxis“, der „wirtschaftlich enteignet“ sei und über einen Überwachungscomputer „ständig kontrolliert“ werden könne. Für den so angegriffenen Blüm ist der Streik der Zahnärzte, an dem sich Bundesweit etwa 30.000 Dentisten beteiligten, eine „Unverschämtheit“ und „Ausdruck des Verfalls der sozialstaatlichen Sitten“. Der Streik als Mittel der Interessenvertretung sei im Bereich der Gesundheitsberufe „nicht akzeptabel“. Ähnlich äußerte sich gestern der Verband der Kriegsopfer, Behinderten, Sozialrentner und Hinterbliebenen, dessen Bundesvorsitzende Sophie Goetzke den beteiligten Zahnärzten vorwarf, den Streit mit dem Bundesministerium auf dem Rücken der Patienten auszutragen. Die Patienten selbst nahmen die Arbeitsniederlegung ihrer Zahnärzte dagegen eher gelassen hin. Auch die Friseure hätten schließlich montags geschlossen, meinte eine Frau mit dicker Backe, die von der Helferin ihres Wahl–Dentisten zum Notdienst verschickt worden war. Und der Kommentar der Notdienstaufnahme: „Das ist doch alles lange vorbereitet worden. Wir haben hier kaum mehr Betrieb als sonst.“

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