■ Erster Tag der Autonomie im Gaza-Streifen und in Jericho: Attentate von Siedlern und Hamas
Seit gestern sind der Gaza-Streifen und Jericho „teilautonomes“ palästinensisches Gebiet. Israelische militante Siedler haben das am Vorabend des großen Tages zum Anlaß genommen, den Palästinensern in den übrigen besetzten Gebieten auf ihre Weise zu zeigen, daß sie deswegen noch lange keinen Grund zum Feiern haben. Sechzehn zum Teil lebensbedrohlich verletzte Palästinenser in Hebron sind das Ergebnis ihrer „Demonstration“ und der anschließenden „Intervention“ der israelischen Armee. Mit diesen Bluttaten nicht genug: Tags darauf erschossen Mitglieder der palästinensischen Hamas bei Hebron eine Siedlerin und verletzten zwei weitere Israelis.
Auch wenn militante Palästinenser mit ihren Attentaten immer wieder auf die strukturelle Gewalt der israelischen Landnahme in den besetzten Gebieten reagieren werden, beziehen sich die Bluttaten beider Seiten häufig auch direkt aufeinander. Dieses Reiz-Reaktions-Schema wird kaum zu durchbrechen sein, solange die israelische Regierung zögert, das Gewaltmonopol ihrer Armee auch gegen bewaffnete Mitglieder der Siedlerbewegung durchzusetzen. Das bedeutet, in den besetzten Gebieten auch gegen aggressive Israelis konsequent vorzugehen und eine Auflösung mindestens eines Teils der Siedlungen perspektivisch in Betracht zu ziehen. Erst unter solchen Voraussetzungen könnte die PLO in den Autonomiegebieten eine schmale Chance haben, den militanten Flügel der Hamas zu neutralisieren und für die palästinensische Polizei ebenfalls ein Gewaltmonopol durchzusetzen.
Vorher wird die irreguläre Gewalt in den besetzten Gebieten weitergehen, die aber auf der Seite Israels durch eine Armee gedeckt wird. Denn es sind israelische Militärs, unter deren Schutz sich die bewaffneten Siedler nach wie vor fast in der gesamten Westbank und in einem Teil des Gaza-Streifens ungehindert bewegen können. Bislang hängt Rabin offenbar immer noch der Idee an, eine palästinensisch-israelische „Waffenstillstandslinie“ etablieren zu können, die sich kreuz und quer durch die besetzten Gebiete zieht und in der die Siedlungen militanter Juden den Status israelischen Territoriums haben. Statt dessen müßte es die Greenline zwischen Israel und den besetzten Gebieten sein, die endlich den Charakter einer solchen Linie – und irgendwann vielleicht den einer Grenze – zwischen Israel und den Palästinensern erhält.
Die Siedler haben wieder einmal gezeigt, daß sie selbst das größte Hindernis auf dem Weg zu einer friedlichen Lösung darstellen. Daß sie vor den Augen der internationalen Beobachter in Hebron das Feuer auf die Palästinenser eröffnet haben, unterstreicht noch einmal den demonstrativen Charakter ihrer Aktion. Die Regierung Rabin wird sich zu dieser Provokation verhalten müssen. Nina Corsten
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