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Attentat in China-Lokal ungeklärt

■ Der auf einem Phantombild im Zusammenhang mit dem Attentat auf Rechtsradikale gesuchte Mann meldete sich freiwillig/ Alibi für die Tatzeit/ Parallelen zum Angriff auf Bundeswehrsoldaten?

Neukölln. Von den sechs bis acht Tätern, die am vergangenen Samstag in einem Neuköllner China-Restaurant ein Mitglied der rechtsextremen »Deutschen Liga für Volk und Heimat« erstachen und ein weiteres Mitglied verletzten, fehlte auch gestern noch jede Spur. Wie berichtet, hatte der Staatsschutz in den vergangenen Tagen mit einem Phantombild nach einem Mann gefahndet, der zuvor Gast in dem Lokal gewesen war und als möglicher Tatbeteiligter galt. Der Gesuchte, ein 34jähriger gebürtiger Türke, hat sich am Montag nachmittag freiwillig bei der Polizei gemeldet. Er wurde nach eingehender Vernehmung wieder entlassen, weil er ein Alibi für die Tatzeit hatte.

Der Rechtsanwalt des 34jährigen Mannes, Herbert Kremer, teilte gestern mit, daß sein Mandant in jener Nacht tatsächlich Gast in dem Lokal gewesen sei. Zutreffend sei auch, daß der Mandant einen pakistanischen Rosenverkäufer angesprochen habe, der am Tisch der Rechtsextremen Blumen zu verkaufen suchte. Weil der Rosenverkäufer von der Gruppe »verarscht« worden sei, habe sich der Mandant als Ausländer dazu aufgerufen gefühlt, dem Pakistani beizustehen: »Das sind Reps, die kaufen dir nichts ab.« Die Rechtsextremen hätten sich darüber mit Worten wie »wir sind auch Asylanten ha, ha« mokiert. Bevor er das Lokal verlassen habe, sei er noch einmal zu der Gruppe gegangen und habe gesagt: »Fragt doch mal den Wirt, wo ihr hier eßt.« Daraufhin habe er sinngemäß zur Antwort bekommen: »Paß auf, wenn du auf die Straße gehst, das Leben in Berlin ist gefährlich.«

Der Staatsschutz geht trotzdem weiter davon aus, daß es sich bei den Tätern um 20- bis 25jährige »Araber oder Türken« handelt. Begründet wird dies mit dem Aussehen der Täter und damit, daß sie sich im Lokal in einer »fremden Sprache« verständigt hätten. Die Polizei verteilte gestern am Kottbusser Damm Flugblätter, in denen Zeugen gesucht werden, die die Tätergruppe möglicherweise auf der Straße gesehen haben. Geprüft wird zur Zeit auch, ob es Parallelen zu dem Angriff auf sieben Bundeswehrsoldaten gibt, die am 26. März an der Kreuzberger Oberbaumbrücke von teilweise vermummten Jugendlichen mit Baseballschlägern zusammengeschlagen worden waren. Bei den Tätern soll es sich um Jugendliche vermutlich türkischer Herkunft handeln.

Der Bund der EinwanderInnen aus der Türkei (BETB) verurteilte gestern jegliche Gewaltanwendung in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus. »Die Fragen der Immigration und des politischen Asyls müssen demokratisch und gewaltfrei diskutiert werden.« Nicht eine Grundgesetzänderung, sondern ein humaner Umgang mit Flüchtlingen sei angesagt. Anläßlich der kommenden BVV-Wahlen forderte der BETB die Parteien auf, die Asylfrage nicht weiter anzuheizen. plu

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