: Attentäter war avisiert
■ Zeuge im Maison-de-France-Prozeß
Berlin (dpa) – Der mutmaßliche Attentäter beim Anschlag auf das französische Kulturzentrum Maison de France in Berlin hat sich kurz vor der Tat in der DDR aufgehalten. Im Prozeß um die Verstrickung der Stasi in das Attentat sagte ein ehemaliger MfS- Hauptmann gestern vor dem Berliner Landgericht als Zeuge, der mutmaßliche Drahtzieher des Anschlags – der Deutsche Johannes Weinrich – habe der Stasi wenige Tage vorher angekündigt, daß der Libanese nach Ost-Berlin einreisen werde.
In dem Prozeß ist der ehemalige Stasi-Oberstleutnant Helmut Voigt angeklagt. Er soll den Hauptmann angewiesen haben, Weinrich den zuvor von der Stasi beschlagnahmten Sprengstoff, der mutmaßlich für das Attentat verwendet wurde, auszuhändigen. Bei der Tat waren am 25. August 1983 ein Mensch getötet und 23 Personen verletzt worden. Der Anschlag wird der Terrorgruppe „Carlos“ zur Last gelegt.
Der Libanese, der nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft in den 80er Jahren in seinem Land wegen angeblicher Spionage erschossen wurde, war ausweislich eines Dokumentes auch von ungarischen Sicherheitsbehörden der Stasi avisiert worden. Die Ungarn hätten darin den Mann als Kamikaze-Täter bezeichnet.
Der Zeuge bestätigte im übrigen, daß er Weinrich auf Anweisung von Voigt tatsächlich den Sprengstoff ausgehändigt hat. Er habe diesen gemäß dem Befehl von Voigt aber darauf hingewiesen, daß dieser in die syrische Botschaft gebracht und „nicht in West- Berlin oder Westdeutschland zur Anwendung kommen soll“. Die grundsätzliche Linie der Stasi sei gewesen, der Carlos-Gruppe für terroristische Aktionen keine Unterstützung zu geben. Auf die Frage des Gerichts, warum Weinrich dann doch der Sprengstoff übergeben worden sei, reagierte er mit den Worten, die Stasi sei davon ausgegangen, sie habe die Gruppe unter Kontrolle.
Der 52jährige Zeuge unterstrich, er habe seinem Vorgesetzten Voigt vor dem Anschlag über mögliche Attentatspläne der Carlos-Gruppe berichtet. Diese seien ihm bei einer Durchsuchung von Weinrichs Hotelzimmer in die Hände gefallen. Die Behauptung Voigts, er habe von einem entsprechenden Bericht seines Hauptmanns nichts gewußt, verstand der Zeuge nicht. Er behauptete, daß ein solcher Vorgang immer durch die Hände von Voigt gegangen sein müsse.
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