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Attacke vor Synagoge in HamburgKeine Akzeptanz für Antisemitismus

Gastkommentar von Maram Stern

Man darf dem Antisemitismus nicht nachgeben. Kinder und Jugendliche dürfen nicht in einer Gesellschaft aufwachsen, die sich damit abfindet.

Die Synagoge in Hamburg: Ein 29-Jähriger wurde hier am Sonntag schwer verletzt Foto: dpa

D er Anschlag von Halle während des höchsten jüdischen Feiertags, Jom Kippur, bei dem zwei Menschen starben, ist gerade einmal ein Jahr her. Dass jetzt in Hamburg an Sukkot erneut eine jüdische Gemeinde in Deutschland einem antisemitischen Terrorakt ausgesetzt ist, macht mich traurig und wütend zugleich.

Den Sicherheitskräften vor Ort sind wir dankbar dafür, dass sie schnell handelten und den Angreifer von weiterer Gewalt abhalten konnten. Aber man muss auch festhalten: Die Sicherheitspräsenz war offensichtlich nicht ausreichend, um einen Menschen vor einer schweren Verletzung zu schützen.

Wir müssen uns selbst fragen, und die örtlichen und nationalen Sicherheitsbehörden müssen sich der Frage stellen: Warum passiert das immer wieder? Warum wächst der Antisemitismus weiter an, warum denken diese Leute, dass es für ihren Hass in dieser Gesellschaft Raum gibt?

Maram Stern

ist Executive Vice President des Jüdischen Welt­kongresses.

Man darf beim Antisemitismus keinen Fuß breit nachgeben, Antisemitismus darf nicht als Normalität akzeptiert werden, die eben nun mal vorkommt. Kinder und Jugendliche dürfen nicht in einer Gesellschaft aufwachsen, die sich mit Antisemitismus abgefunden hat. Sie dürfen nicht täglich auf ihren sozialen Medien wie beispielsweise Tiktok erleben, dass Antisemitismus etwas Denkbares und Sagbares ist.

Die Bundesregierung muss die Federführung dabei übernehmen und die Aufklärung verstärken, sodass die nachfolgende Generation versteht, dass jegliche Art von Hass nicht akzeptabel ist. Es geht um nichts weniger als das langfristige Bestehen jüdischen Lebens in Deutschland.

Es ist auch Aufgabe der Regierungen und Justizbehörden, dafür zu sorgen, dass die Einrichtungen der jüdischen Gemeinden, Synagogen, Schulen und Begegnungsstätten ausreichend Polizeischutz haben, sodass Juden frei, ohne Angst und Belästigung ihren Glauben ausleben und ihre Feiertage begehen können. Der Angreifer von Hamburg muss zur Verantwortung gezogen werden, wie alle, die Hass und Intoleranz pflegen.

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1 Kommentar

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  • Sehr geehrte Frau Stern,

    Ihrem Artikel kann man selbstverständlich nur beipflichten. Persönlich habe ich alle Hoffnungen aufgegeben, dass hier noch Wesentliches zum Schutz der Juden geschieht. Ein paar Antisemitismusbeauftragte werden die Entwicklungen nicht umkehren können. Und schauen Sie mal was an den Schulen (außer den Gymnasien) passiert, die Lehrer sind froh, wenn sie von ihren Schülern nicht attackiert werden. Die taz berichtete darüber. Da ist Aufklärung längst nicht mehr möglich.

    Von Deutschland bin ich wahnsinnig enttäuscht, dass dieses Land das alles hat passieren lassen. Man hat die Juden ausgeliefert an die Rechtsextremen, den Islamismus, leider teilweise auch antisemitische Linke.

    Ich hätte nie geglaubt, dass wir nach all dem, was wir den Juden angetan haben, noch einmal so tief sinken würden.

    Reine Schutzmaßnahmen der Polizei können nicht die Zukunft sein. Jeder sollte eine Kippa öffentlich tragen können. Doch hier in München, wo dies vor einigen Jahren noch der Fall war, ist dies längst nicht mehr möglich. Anderswo ähnlich.

    Die Lage ist längst außer Kontrolle.

    Und TikTok? Erinnere mich nur an eine Wirtschaftszeitung, die sich damit mal näher befasst hat. Resultat: "Eine gefährlich kluge Verblödungsmaschine".