Attac-Mitglied von Larcher über Marktregulierung: "Die Politik hat sich verändert"
Die Debatte um eine Regulierung des Finanzmarktes ist eine Reaktion auf den öffentlichen Druck, meint Attac-Finanzexperte Detlev von Larcher. Für die Globalisierungskritiker bleibe dennoch viel zu tun
taz: Herr von Larcher, die EU reguliert Hedgefonds und die Bundesregierung will die Finanzmärkte besteuern. Hat Attac gewonnen?
Detlev von Larcher: Die Gründungsforderungen von Attac sind jetzt tatsächlich in aller Munde. Es ist schon erstaunlich, dass das Wortungetüm Finanztransaktionssteuer nun in allen Medien und Parteien präsent ist - und dass die Menschen dies als Symbol dafür begreifen, ob man Finanzmärkte regulieren will oder nicht. Das ist ein Riesenerfolg. Aber erledigt ist das Thema damit noch lange nicht.
Warum?
Detlev von Larcher, 73, ist Steuerexperte und Mitglied im Koordinierungskreis des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Bis 2002 saß er für die SPD im Bundestag, 2008 schloss die Partei ihn aus.
Die Bundesregierung hat sich noch nicht festgelegt, was sie genau will. Wenn sie sich tatsächlich für die Finanztransaktionssteuer einsetzt, dann begrüßen wir das sehr. Aber Union und FDP nennen ja eine Finanzaktivitätssteuer als Alternative; die bringt aber viel weniger ein und hilft nicht gegen Spekulation. Durch diese Hintertür dürfen sie sich nicht aus der Diskussion verabschieden. Das werden wir nicht zulassen.
Wie beurteilen Sie die von der EU beschlossenen Hedgefonds-Regeln?
Anmeldepflicht und Informationen über das Geschäftsgebahren genügen nicht. Wo bleiben Sanktionen? Wem nutzen die risikoreichen Geschäfte mit geliehenem Geld außer den Profiteuren? Attac ging es nie nur um strengere Aufsicht für Hedgefonds. Wir sehen in ihnen keinerlei gesellschaftlichen Nutzen und fordern darum ein Verbot dieser Fonds.
Das heißt, Sie halten Attac noch nicht für überholt?
Natürlich nicht. Selbst wenn die Finanztransaktionssteuer jetzt wirklich kommen sollte, wäre sie ja nur ein Baustein zum Umbau der Finanzmärkte. Dazu gehört auch ein Verbot von Hedgefonds und Leerverkäufen sowie ein Finanzmarkt-TÜV. Zudem müssen die Banken schrumpfen, damit keine mehr systemrelevant ist. Eine weitere wichtige Aufgabe bleibt, die öffentlichen Güter - Gesundheit, Altersvorsorge, Infrastruktur - den privaten Märkten wieder zu entziehen.
Aber braucht Attac wenigstens einen neuen Namen, wenn die in der Abkürzung enthaltene Finanztransaktionssteuer realisiert ist?
Also bitte - man gibt doch nicht einen eingeführten Namen auf. Damit schadet man sich doch selber.
Obwohl Ihre Themen derzeit solche Konjunktur haben, hört man von Attac vergleichsweise wenig. Woran liegt das?
Generell teile ich diesen Eindruck nicht; wir sind durchaus in der Öffentlichkeit präsent - ob bei Veranstaltungen wie dem Bankentribunal, bei Anhörungen oder mit Aktionen. Aber weil Attac nicht mehr so neu ist wie früher, hat die journalistische Neugier natürlich etwas nachgelassen. Und speziell bei der Finanztransaktionssteuer haben wir im letzten Jahr in einem breiten Bündnis für die "Steuer gegen Armut" mit Kirchen, Gewerkschaften und anderen Organisationen gearbeitet. Dadurch haben wir mehr Menschen erreicht, sind aber weniger als Attac in Erscheinung getreten. Wir waren aber von Anfang an einer der Hauptträger des Bündnisses, und ohne unsere Aktivitäten wären auch die 66.000 Unterzeichner für die Petition nicht zustande gekommen, die jetzt die parlamentarische Debatte befördert hat. Es ist ein erfolgreiches Bündnis, und wir sind stolz darauf, so weit gekommen zu sein.
Halten Sie die erreichten Veränderungen denn für dauerhaft, oder erleben wir derzeit nur eine kurzfristige politische Konjunktur?
Es ist offensichtlich, dass sich die Politik unter öffentlichem Druck verändert hat. Es gibt ziemlich große Wut; darum hat die Regierung eingesehen, dass man die Kosten der Krise auch den Verursachern aufbürden muss. Ob es dabei bleibt, hängt davon ab, ob sich die Öffentlichkeit wieder einschläfern lässt oder wachsam bleibt.
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