Atomunfall in Spanien: 800 Mitarbeiter zur Strahlenmessung
In einem spanischen Atomkraftwerk ist radioaktiver Dampf ausgetreten. 800 Mitarbeiter werden auf Verstrahlung untersucht. Betreiber Endessa bezeichnete die Panne als "unerheblich".
MADRID dpa/taz Nach einer zunächst verheimlichten und dann heruntergespielten Panne in einem Atomkraftwerk im Nordosten Spaniens haben die Behörden jetzt gesundheitliche Tests für 800 Mitarbeiter der Anlage angeordnet.
Der Zwischenfall in dem Kraftwerk Ascó I bei Tarragona, der sich bereits im vergangenen November ereignet hatte, war nach Presseberichten vom Dienstag weitaus schlimmer als ursprünglich angenommen. Der Energiekonzern Endesa hatte als Betreiber der Anlage die Aufsichtsbehörde CSN verspätet informiert und die Panne anfangs als "unerheblich" bezeichnet. Die Behörde kam nun jedoch zu dem Ergebnis, dass 100-mal mehr Radioaktivität entwichen war, als der Konzern angegeben hatte.
Der Zwischenfall gehöre zu den vier schwersten in der Geschichte der Nutzung von Atomenergie in Spanien. Die Aufsichtsbehörde warf Endesa eine "unangemessene Kontrolle radioaktiven Materials" und die "Weitergabe von unvollständiger und fehlerhafter Information" vor. Der Zwischenfall hatte sich bereits im November 2007 ereignet, wurde aber erst im März 2008 festgestellt. Bei der Reinigung von Rohren war radioaktiv verseuchter Wasserdampf durch die Klimaanlage ins Freie gelangt. Die radioaktiven Teilchen lagerten sich nach diesen Angaben im Umkreis von 50 Metern ab, überwiegend auf den Dächern des Atomkraftwerks. Bislang wurden nach Angaben der Behörde 580 Mitarbeiter untersucht, ohne dass allerdings irgendwelche Gesundheitsschäden festgestellt worden seien.
"Eine Gefahr für die Umwelt bestand nicht", sagte der CSN-Beamte Manuel Rodríguez. Mitarbeiter der Anlage hätten im schlimmsten Fall mit 80 Prozent der Menge an Radioaktivität belastet werden können, die als Höchstgrenze für ein Jahr gelte. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte die Stilllegung des Atomkraftwerks. Vor drei Jahren war im benachbarten Nuklearkraftwerk Vandellòs ein schwerer Zwischenfall aufgedeckt worden. Die Betreiber, die Konzerne Endesa und Iberdrola, hatten die Anlage trotz Mängel im Kühlsystem ein halbes Jahr weiterlaufen lassen. Das spanische Industrieministerium verhängte eine Geldstrafe von 1,6 Millionen Euro, die höchste in der Geschichte der spanischen Nuklearwirtschaft.
Die Vorfälle in Spanien wecken Erinnerungen an Zwischenfälle in deutschen Atomkraftwerken. Im Kraftwerk Krümmel, im norddeutschen Geesthacht, kam es im Sommer 2007 zu einem Transformatorbrand, der zur Notabschaltung des Reaktors führte. Im Kraftwerk Brunsbüttel sorgte ein Kurzschluss im Schaltsystem für eine zeitweilige Abschaltung des Reaktors. In beiden Fällen geriet der Betreiberkonzern Vattenfall wegen seiner verschleiernden Informationspolitik in die Kritik.
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