piwik no script img

Atommüll nach RusslandNeue Castor-Transporte

Ein Castor ist von der Straße, schon plant die Regierung neue Transporte. Von NRW soll es nach Russland gehen. Gegner sehen die rot-grüne Landesregierung in der Pflicht.

Bald wieder auf Reisen? Atommüll soll von NRW nach Russland geschafft werden. Bild: dapd

BOCHUM taz | In den kommenden sechs Monaten will die Bundesregierung drei weitere Castortransporte durchsetzen. Ziel des Atommülls ist das hochgradig verstrahlte russische Atomkombinat Majak. Ein entsprechendes Regierungsabkommen sei "unterschriftsreif verhandelt", berichtete die Süddeutsche Zeitung unter Berufung "auf Regierungskreise" am Dienstag. Eine Stellungnahme war von der Bundesregierung bislang nicht zu bekommen.

Der hochradioaktive Atommüll stammt ursprünglich aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor Rossendorf in Sachsen und lagert seit 2005 im Zwischenlager Ahaus in NRW. Insgesamt sollen 951 Brennelemente nach Russland gebracht werden, schreibt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage, die die atompolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl, nach ersten Berichten der taz gestellt hat. Die dazu nötigen 18 Castoren sollen offenbar auf drei Transporte verteilt werden.

Vor dem Atommüllexport warnen Umweltschützer schon seit Monaten. "Deutschland will seinen Atommüll auf Kosten der nächsten Generation in Russland entsorgen", sagt etwa Wladimir Slivjak von der russischen Umweltorganisation Ecodefense. Die Atomanlagen von Majak bei Tscheljabinsk haben bei diversen Störfällen ähnlich viel Radioaktivität freigesetzt wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Trotzdem leben noch heute über 5.000 Menschen dort. Wegen der Waldbrände musste in der Region in diesem Sommer der Ausnahmezustand ausgerufen werden. "Unverantwortlich und zynisch" seien die Transporte, warnte Slivjak deshalb in einem Brief an CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Doch deren Regierung scheinen die Sicherheitsbedenken nicht zu kümmern. Eine Entsorgung in der Bundesrepublik sei mangels Endlager "keine gangbare Option", heißt es in der Antwort auf Kotting-Uhl. Auch das Bundesamt für Strahlenschutz argumentiert in einem der taz vorliegenden Schreiben, es sei nur für die Sicherheit in Deutschland zuständig. Kotting-Uhl spricht deshalb von einem "Skandal", warnt vor "billiger Entsorgung wie in der Asse".

Atomkraftgegner in NRW sehen außerdem die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf in der Pflicht. Sie fordern ein Moratorium für alle Atomtransporte in NRW - und rufen zu "massivem Widerstand" auf. Eine erste Großdemonstration ist am 21. November am Zwischenlager Ahaus geplant.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • DK
    die Katja

    Was soll man dazu noch groß sagen?

    Atommüll nach Majak - Superidee! Was soll schon passieren, ist ja schon verstrahlt.

    Das ist doch genau die gewünschte Form der Endlagerung, raus aus dem Land und damit auch aus dem Sinn.

    Es ist sicherlich richtig, dass das Material ursprünglich aus den ehemaligen UdSSR stammt und auch das es dazu ein Abkommen gibt.

    Ob das allerdings als Grund ausreicht,die katastrophalen Sicherheitsmängel in Majak zu ignorieren halte ich für extrem fraglich!

    Aber vermutlich ist es dieser Regierung absolut nicht zuzumuten, sich über solche Kleinigkeiten den Kopf zu zerbrechen.

  • T
    tystie

    @ Marcus Harms:

    Freut mich zu hören! Der Zielort ist Ahaus. Die Koordinaten des Atommülllagerschuppens fürs GPS: 52°04'36" N, 007° 03' 21" E. Bitte keine Lenkwaffen einsetzen, die Gegend ist bewohnt (Münsterland)! Willkommen in NRW (Nordrhein-Westfalen)!

  • MH
    Marcus Harms

    Viele Menschen haben nicht in Lüchow- Dannenberg gegen den Castor und die Merkelsche Atompolitik demonstriert und bedauern dies. Den Demonstranten wurde und wird aus der Bevölkerung viel Respekt und Dankbarkeit entgegengebracht. Ich glaube das beim nächsten Castortransport noch mehr Menschen auf die Strasse gehen, unabhängig davon um wessen Atommüll es sich handelt. Diese Demonstrationen richten sich gegen die Atompolitik im Land und ich wünsche uns allen das jede kommende Demo größer und bunter wird als die zurückliegende! Ich wünsch mir Sitzblockaden im 5-stelligen Bereich mit Oma und Opa und ihren Enkelkindern. Livemusik und Treckerblockaden soweit das Auge reicht. Ich werde mir beim nächsten mal jedenfalls noch mehr Mühe geben! Wir sehen uns!

  • S
    sms

    Da die DDR nun zur BRD gehört, gehört auch der müll dazu.

    Also wäre es kein Diebstahl!!

    Und wir werden schon sehen ob die überhaupt in Russland ankommen werden!?

    Denn wenn wir werden mehr und mehr die etwas gegen diese Regierung unternimmt und das ist GUT so!!

  • T
    tystie

    @ imation:

    Das Propaganda-Blättchen der Schwarz-Geld-Koalition FAZ reproduziert gewohnheitsgemäß die Propaganda-Betrügereien des Merkel-Kabinetts.

    Fakt ist: Die 'Global Threat Reduction Initiative' (GTRI) bezieht sich auf aus der Sowjetunion stammendes Spaltmaterial in unsicheren Staaten, wie Serbien, Bulgarien, Libyen, Usbekistan, Lettland, Tschechien und Polen. Deutschland gehört ausdrücklich NICHT zu diesen Ländern. Daher ist dieses Abkommen auch nicht die Grundlage dieser Abschiebung.

    Auch Kapazitätsprobleme der Lagerhalle in Ahaus kommen nicht infrage. Erstens haben die Putschisten der Atomaren Totalitären Union gerade ihren Willen ausgedrückt, den Atommüll in Deutschland aus eigener Produktion zu vervielfachen. Zweitens ist die Lagerkapazität in Ahaus nicht kleiner als in Gorleben. Und drittens sind die betreffenden 'Castoren' wesentlich kleiner als diejenigen aus der atomaren Umweltverseuchungsfabrik in La Hague.

    Es geht hier um die Frage, in ein seit 1957 radioaktiv verseuchtes Zielgebiet (Majak) von der Größe Schleswig-Holsteins oder Thüringens hoch radioaktiven Atommüll abzuschieben. Genauso, wie insbesondere die französischen Staatskonzerne AREVA und Co. bereits Atommüll nach Tomsk in Sibirien loswerden.

    Wer das duldet, hat keinerlei Recht mehr, wegen Tschernobyl auch nur die Mundwinkel nach unten zu verziehen.

    Pöbelnde Besserwisser sollten sich wenigstens enthalten, ihre Schadenfreude darüber zu verkünden.

  • B
    Besto

    Richtig ist, dass hochangereichertes Material nach entsprechenden Verträgen wieder in Staaten gebracht werden soll, welche schon Atombomben haben (nach Atomwaffensperrvertrag auch haben dürfen). Zu groß ist sonst das Risiko, dass daraus doch noch Bomben gemacht werden.

    Allerdings ist auch bekannt was Russland mit dem Müll so macht (abgesehen vom Bombenbau). Denn der die Müllentsorgung findet dort meist recht sorgenfrei so statt, dass wirklich davon ausgegangen werden muss, dass in näherer Zukunft Menschen und Umwelt damit in Kontakt kommen. Selbst wenn es also Verträge zur Verfrachtung des Mülls nach Russland gäbe, so ist dies dennoch verantwortungslos. Verträge lassen sich ändern, radioaktiver Müll der erst einmal freigesetzt ist nur sehr schwer wieder einfangen.

  • V
    vic

    Dieses eine mal findet es unsere geschätzte Regierung sicher ganz ganz toll, Rechtsnachfolger der DDR zu sein.

    Alle die sich darüber freuen, dass Atomdreck- wenn aus den Augen aus dem Sinn ist- sollten sich darauf vorbereiten, dass das Atomklo Majak in unserer Geschichtsschreibung noch eine Rolle spielen wird.

  • PP
    Pastor Peter

    Dass die Brennstäbe aus der damaligen Sowjetunion stammen, ist kein Argument dafür, sich der Verantwortung im Bezug auf die Lagerung zu entledigen. Genutzt hat die Stäbe ein Atomkraftwerk in der damaligen DDR und deshalb hat die Bundesrepublik sich um die Entsorgung zu kümmern. Ich kann auch nicht mein gebrauchtes Plastikspiezeug in China entsorgen, weil es von dort importiert habe. Völlig absurd so zu argumentieren. Der Vorschlag verdeutlicht eins:

    Man kann zwar dagegen demonstriergen, Atommüll in Gorleben zu lagern, weil es dort unsicher ist. Vorrangig muss aber gegen die Laufzeitverlängerung protestiert werden. Denn egal ob man Atommüll in Gorleben oder im Ural lagert, irgendwo muss der Dreck, den wir bis heute als Gesellschat produziert haben, gelagert werden und das möglichst sicher. Außerdem müssen wir die Politk dringend davon abhalten, noch mehr von dem Mist zu erzeugen. Anderenfalls hinterlassen wir unseren Kindern nicht nur mehr verstrahlen Schund, sondern noch vererben die jetzt deutlich gewordenen Konflikte über eine dann erforderliche Endlagerung.

    Amen

  • D
    Denk_attrappe

    Ja, würde ich auch so machen wenn ich Merkel wäre:

    Schlechte Schlagzeilen sollen auch mal die Anderen wie Kraft+Löhrmann kriegen.

     

    Ich würde allerdings vorher Kostenübernahme von der Bundesregierung verlangen, bevor die Transporte losgeschickt werden.

  • N
    Neutronenschnecke

    Auch diese Tranporte werden ihr Zeil erreichen. Viel Spaß beim Schottern in Rußland. Allerdings kann man ja mit dem Auto nicht so gut hinfahren, zu wenig Tankstellen und Vegiburger gibts auch nicht überall.

  • I
    imation

    Aus der heutigen FAZ:

    "Der Transport erfolgt, weil die russischen Brennelemente aus Rossendorf unter ein amerikanisch-russisches Abkommen fallen, in dem die Rückführung angereicherten Materials ins jeweilige Ursprungsland geregelt wird."

    Quelle: http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E1D2F7D36FB3C476197E9103B172A86A7~ATpl~Ecommon~Scontent.html

     

    Bevor man SKANDAL schreit lieber mal die Hintergründe beleuchten.

     

    PS: Die Brennstäbe gehören den Russen, die nicht zurückzugeben ist also Diebstahl.

  • A
    atom

    Der DDR Reaktor hat die Brennstäbe von Russland erhalten. Es ist nur logisch, dass diese dahin wieder verschwinden.

  • M
    max

    Am besten packt ihr Frau Merkel und ihre Bande auch gleich mit zum Atommüll,dann kann sie wenigstens nicht noch mehr schaden anrichten.

  • F
    frank

    Denn hätten se den Müll auch gleich in Frankreich lassen können. Denn ob se das Zeug nu in Frankreich oder in Russland in die Flüsse/Meere kippen, is ja nu auch egal.