Atommüll-Debatte: Ein bisschen Baustopp in Gorleben

Bund und Länder verständigen sich auf Zeitplan und Verfahren der Endlagersuche. Doch die Zukunft von Gorleben ist weiter offen - und daran hängt die Einigung

Will den Salzstock Gorleben nicht weiter ausbauen, aber weiter erkunden: Umweltmininster Norbert Röttgen (CDU) Bild: dapd

BERLIN taz | Sie haben lange gefeilscht und eine Einigung am Ende doch verpasst: Mit eineinhalb Stunden Verspätung traten Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Vertreter mehrerer Bundesländer am Donnerstagabend vor die Presse, um die Ergebnisse ihrer Verhandlungen über die Endlagersuche zu verkünden.

Der entscheidende Streitpunkt, wie es mit dem umstrittenen Salzstock Gorleben weitergeht, konnte dabei nur teilweise entschärft werden. Röttgen kündigte an, dass dort zunächst "keine weiteren Streckenauffahrungen" und damit "keinen weiteren Ausbau des untertägigen Bergwerks" geben soll. Während die rheinland-pfälzische Wirtschaftministerin Eveline Lemke (Grüne) dies als faktischen „Baustopp“ wertete, vermied Röttgen dieses Wort. Denn weitergearbeitet wird in Gorleben trotzdem: „Wir haben festgehalten, dass Gorleben Vergleichsstandort bleibt“, sagte Röttgen. Die Erkundung des Salzstocks, also etwa Bohrungen zur Untersuchung der Salzstruktur, geht darum zunächst weiter.

Ob diese Erkundung von Gorleben während des neuen Suchverfahrens fortgesetzt wird, darüber konnten Bund und Länder am Donnerstag noch keine Einigung erzielen; auch ob die von Röttgen beauftragte und von SPD und Grünen kritisierte „vorläufige Sicherheitsanalyse“ für den Standort zu Ende geführt wird, ist noch nicht entschieden.

Sowohl Röttgen als auch die Ländervertreter zeigten sich zuversichtlich, bis zum nächsten Treffen im Januar eine Einigung zu erzielen. Als mögliche Kompromisslinie deutete Röttgen an, dass sich die weiteren Untersuchungen auf „standortunabhängige Forschung“, also etwa solche zu den generellen Eigenschaften von Salz, beschränken könnten. „Wir sind entschlossen, dass jeder Anschein vermieden werden muss, dass es eine Vorfestlegung auf Gorleben gibt“, sagte Röttgen.

Schon jetzt weitgehend einig sind sich Bund und Länder über das Verfahren für die neue Endlagersuche: Am Donnerstagabend präsentierten sie einen Zeitplan mit sechs Phasen, in dem das weitere Vorgehen detailliert beschrieben wird. Bis Mitte 2012 soll der geplante Entscheidungsprozess sowie seine Finanzierung in einem von Bundestag und Bundesrat zu beschließenden Gesetz festgelegt werden. Bis Mitte 2013 sollen Entscheidungskriterien für Endlagerstandorte erarbeitet und in einem weiteren Bundesgesetz fixiert werden. Bis Ende 2014 werden dem Plan zufolge mehrere Standorte ausgwählt, die dann bis Ende 2019 zunächst oberirdisch erkundet werden.

Anschließend soll dann die unterirdische Erkundung folgen. Ob dabei ein oder mehrere Standorte untersucht werden und ob Gorleben darunter ist, wurde im Papier noch offen gehalten. „Das bedarf noch weiterer Diskussionen“, sagte Röttgen. Anschließend – und noch ohne Zeitangabe – folgen die unterirdische Erkundung, die Standortentscheidung und schließlich die Genehmigung, Errichtung und Inbetriebnahme des Endlagers folgen.

Die Umsetzung dieses Verfahrens hängt jedoch von einer Einigung über den Streitpunkt Gorleben ab. „Das Ganze geht nur als Paket“, sagte Ministerin Lemke aus Rheinland-Pfalz. „Es wird kein gemeinsames Gesetz geben ohne eine Lösung für Gorleben.“

Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, die seit Jahrzehnten gegen den Standort Gorleben kämpft, wertete die Ergebnisse des Treffens sketisch. "Gorleben ist angezählt, aber keinesfalls aus dem Rennen", sagte Sprecher Wolfgang Ehmke. Dass der Salzstock im Spiel belassen werde, zeig, dass die Bundesregierung sich nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiere. "Die Argumente, die für die Nicht-Eignung des Salzstocks Gorlebens als atomares Endlager sprechen, sind erdrückend und nicht widerlegbar, deshalb brauchen wir keinen Quasi-Baustopp und auch keinen Gorleben-Dialog, sondern leiten jetzt den Nachruf ein", so Ehmke.

Im Vorfeld der Gespräche hatte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister vorgeschlagen, die Erkundung von Gorleben im Jahr 2013 einzustellen. Vorher solle aber noch die vorläufige Sicherheitsanalyse fertiggestellt werden. Damit solle eine Einigung ermöglicht werden "zwischen denen, die sofort die Erkundung stoppen wollen, und denen, die noch wesentlich länger als 2013 erkunden wollen", hatte McAllister erklärt.

SPD und Grüne hatten aber deutlich gemacht, dass ihnen dieser Vorschlag nicht weit genug geht. Sie fordern einen sofortigen Bau- und Erkundungsstopp in Gorleben. Auch die vorläufige Sicherheitsanalyse lehnen SPD und Grüne ebenso wie Umweltverbände ab, weil sie von Gorleben-Befürwortern wie dem ehemaligen Atomlobbyisten Bruno Thomauske verantwortet wird und die Kritierien zudem speziell auf Gorleben zugeschnitten sind. "Mit dieser Forderung, die Sicherheitsanlyse fortzusetzen, will McAllister durch die Hintertür den Weiterbau in Gorleben ermöglichen", hatte Grünen-Ministerin Lemke vor der Verhandlung gesagt.

Auch die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg hatte den Vorschlag aus Niedersachsen kritisiert. Die "vorläufige Sicherheitsanalyse", an der McAllister festhalten wolle, verfolge den Zweck, "dem Salzstock Gorleben trotz aller geologischen Mängel noch vor der nächsten Bundestagswahl den Stempel 'geeignet' aufzudrücken", hatte Sprecher Ehmke erklärt.

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