Atomkraft bremst Erneuerbare: Den Wind aus den Segeln genommen
Längere Kraftwerkslaufzeiten würden den Ausbau der erneuerbaren Energien behindern. Atomkraftwerke seien nicht flexibel genug, um den Windschwankungen entgegenzuwirken.
BERLIN taz | Das Atomkraftwerk Unterweser liegt denkbar ungünstig: Im Norden Deutschlands, nicht weit von der Nordseeküste entfernt. Ungünstig deshalb, weil es hier vor allem Windkraftanlagen-Betreiber ärgert. Sie bauen fleißig aus, weil der Wind kräftig weht, doch auf dem Strom bleiben sie oft sitzen. In zwei bis drei Jahren könnte sich die Lage bessern - dann müsste das AKW laut Atomkonsens vom Netz.
Union und FDP aber wollen den Ausstieg kippen, Klimaschützer und die Branche der erneuerbaren Energien befürchten, das könne den Ausbau der regenerativen Energien bremsen. Wer einen hohen Windenergieanteil im deutschen Strommix wolle, brauche daneben flexible Kraftwerke, die den Windschwankungen entgegen wirken können, sagt Ralf Bischof, Geschäftsführer beim Bundesverband Windenergie. "Dafür sind Atomkraftwerke nicht ausgelegt." Ein schnelles An- und Ausschalten ist technisch nicht möglich. Deshalb zählen die Reaktoren zu den Grundlast-Kraftwerken, die rund um die Uhr Strom liefern.
Bei Dirk Ketelsen sorgt das für Ärger. Er ist Geschäftsführer bei Dirkshof, einem kleinen Windkraft-Unternehmen aus Nordfriesland. "Wir mussten in den vergangenen Jahren erfahren, dass oft die Stromleitungen voll waren." Gerade in windstarken Zeiten wird nämlich nicht so viel Strom nachgefragt, wie ins Netz eingespeist werden könnte. Dann bleibt der Strom von Dirkshof außen vor und beschert dem Unternehmen hohe Verluste - "einige Millionen Euro", sagt Ketelsen.
Die Serie: Die sieben ältesten Atomkraftwerke müssten laut Atomkonsens in der nächsten Legislaturperiode abgeschaltet werden. Union und FDP wollen das verhindern. Die taz nennt in einer Serie über diese AKW sieben gute Gründe für den Ausstieg.
Das Argument heute: Warum die AKW den Ausbau der Erneuerbaren bremsen. Beispielhaft aufgezeigt am AKW Unterweser (Alter: 30 Jahre).
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Eine mögliche Lösung: Der Ausbau des Stromnetzes. Die Windräder sollen an die Hochspannungsleitungen angeschlossen werden, die den Strom in den Süden Deutschlands transportieren können. Seit acht Jahren kämpft Ketelsen dafür - und macht dem Netzeigentümer und Energieversorger Eon Vorwürfe: "Sie ziehen das in die Länge, damit sie ihre Atom- und Kohlekraftwerke weiterbetreiben können." Eon weist die Vorwürfe zurück: Man sei "mit Hochdruck an der Planung der Leitungen", sagt eine Sprecherin, das Genehmigungsverfahren ziehe sich eben hin.
Windlobbyist Bischof beurteilt die Gesamtentwicklung positiv. Das Ausbautempo des Stromnetzes sei zwar zu langsam gewesen. Doch: "Das bessert sich." Auch bei den Hochspannungsleitungen werde momentan viel getan, "wir gehen davon aus, dass der Netzausbau ausreicht." Sollten jedoch die Atomreaktoren länger laufen, sei das "in Frage gestellt". Denn durch das Abschalten der AKWs würden Kapazitäten im Fernleitungsnetz frei, sagt Bischof. Die momentane Planung basiere auf der so genannten Netzstudie der deutschen Energieagentur Dena, die vom Atomausstieg ausgeht.
Für Dena-Chef Stephan Kohler sind die Ergebnisse der Studie aber auch bei einem Ausstieg aus dem Ausstieg noch gültig. "Wenn Windenergie stärker wird, dann müssen konventionelle Kraftwerke ihre Leistung reduzieren." Der Vorrang der erneuerbaren Energien sei schließlich per Gesetz vorgeschrieben. Ob sich Eon daran hält, ist jedoch schwer zu überprüfen. Als Netzbetreiber, der gleichzeitig seinen eigenen Strom verkaufen will, liegt zumindest der Verdacht nahe, dass im Zweifelsfall lieber der eigene Strom eingespeist wird. Die EU-Kommission versucht daher seit Jahren, in Deutschland Erzeugung und Netz zu trennen. Passiert ist allerdings nichts.
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