Atomkraft-Logistik: Nicht in unserer Stadt
Bürgerschaft und Senat sollen Fahrten durch die Stadt verbieten. Antrag der Linken wird am Donnerstag im Parlament beraten.
Für Dora Heyenn ist „jeder Atomtransport ein Spiel mit dem Feuer“. Um dieses Risiko auszuschalten, fordert die Fraktionschefin der Linken in der Hamburger Bürgerschaft nun ein Verbot, im Hafen Kernbrennstoffe und andere atomare Stoffe umzuschlagen. Darüber hinaus müssten „alle Möglichkeiten geprüft werden, um Atomtransporte durch Hamburg per LKW, Bahn oder Schiff grundsätzlich zu untersagen“, heißt es in einem Antrag an die Bürgerschaft, der in der kommenden Woche beraten wird.
Anlass für den Vorstoß ist der Brand auf dem Frachters „Atlantic Cartier“ im Hamburger Hafen am Abend des 1. Mai (siehe Kasten). In der Hafencity auf dem anderen Elbufer fand der Eröffnungsgottesdienst des 34. Deutschen Kirchentags mit etwa 80.000 TeilnehmerInnen statt. Von der drohenden Gefahr ahnten diese nichts: Uranhexafluorid reagiert mit (Lösch-)wasser zu hochgiftiger Flusssäure, die noch in mehreren hundert Metern Entfernung lebensgefährliche Folgen haben kann. Bei einer Explosion der Munition hätte die Freisetzung der radioaktiven Stoffe nach Einschätzung der Linken „eine fürchterliche Dimension“ bekommen. Auch die Grünen sagten, die Stadt sei „nur knapp an einer Katastrophe vorbei geschrammt“.
Nach Einschätzung von Frank Reschreiter, Sprecher der Innenbehörde, sei damals jedoch „überhaupt nichts schief gegangen und alles genau so gelaufen, wie es laufen sollte“. Umweltbehörden-Sprecher Volker Dumann sagte: „Es sind keinerlei Schäden für die Umwelt entstanden; noch nicht einmal Löschwasser ist ins Hafenbecken gelaufen.“ Der Brand sei von der Feuerwehr hoch professionell bekämpft worden. Das bestreiten Linke und Grüne nicht. Sie befürchten aber, dass das Zufall gewesen sei und der Senat die Gefahr „vertuschen“ wollte.
Denn im Jahr 2012 hätten immerhin 204 Atomtransporte durch Hamburg stattgefunden. In den Vorjahren seien das nach früheren Senatsangaben 135 Transporte (davon 48 mit Uranhexafluorid) in 2011 gewesen, 193 (74 mit Uranhexafluorid) in 2010 und sogar 235 Transporte (mit Uranhexafluorid unbekannt) im Jahr 2009 gewesen. Dass beinahe täglich Container mit radioaktiven Stoffen im Hafen umgeschlagen oder per Bahn und LKW mitten durch die Stadt gefahren würden, „ist unverantwortlich“, so Heyenn.
Deshalb fordert der Antrag der Linken vom Senat, „zu prüfen, welche Möglichkeiten bestehen, um Atomtransporte durch Hamburg zu untersagen oder planungsrechtlich beziehungsweise wegerechtlich auszuschließen“. Bis dahin solle die Öffentlichkeit auf der Internetseite der Stadt über alle Transporte laufend und mit allen Details zur gefährlichen Fracht informiert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader