Atomkonflikt spitzt sich zu: Iran testet Obamas Geduld
Nach dem neuesten iranischen Raketenstart steigt die Wahrscheinlichkeit schärferer Sanktionen. Das US-Repräsentatenhaus will Benzinlieferungen erschweren.
Der neue Test einer Mittelstreckenrakete im Iran hat den Streit um das iranische Atomprogramm weiter zugespitzt. Sowohl die USA als auch einige EU-Staaten warfen Iran vor, mit dem Raketentest das Misstrauen gegen das iranische Nuklearprogramm verstärkt zu haben.
Das iranische staatliche Fernsehen meldete am Mittwoch, der Raketentest sei "erfolgreich" verlaufen. Die Sedschil-2 habe im Vergleich zum Vorgängermodell den Vorteil, dass sie wegen ihres raschen Eintritts in die Atmosphäre und ihres großen Tempos nicht von Abfangraketen zerstört werden könne, sagte laut iranischen Medien Verteidigungsminister Ahmad Wahidi. Die Sedschil-2 ist eine zweistufige Rakete mit einer Reichweite von rund 2.000 Kilometern. Damit könnte sie auch Israel, mehrere arabische Länder und auch die Türkei erreichen. Bereits im Mai und September war nach offiziellen Angaben die Sedschil-2 erfolgreich getestet worden.
Nach Ansicht der USA wirft der Raketentest neue Fragen über die friedlichen Absichten Teherans in der Region und die Natur seines Atomprogramms auf. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ian Kelly, warf Iran vor, den Test just zu einer Zeit durchgeführt zu haben, in der die Staatengemeinschaft versuche, Iran zu einer ausschließlich friedlichen Nutzung seiner Kernenergie zu verpflichten. "Diese Art von Tests können Irans Bekundungen zu friedlichen Absichten nur untergraben", sagte Kelly.
Schon am Dienstag hatte das US-Repräsentantenhaus mit großer Mehrheit weitere Sanktionen gegen den Iran beschlossen. Demnach sollen US-Firmen bestraft werden, die Kraftstoffe und andere veredelte Erdölprodukte in den Iran liefern oder dies unterstützen. Sollte es tatsächlich gelingen, den Export von Benzin in den Iran zu verhindern, würde diese Maßnahme die iranische Bevölkerung schwer treffen. Iran ist zwar der viertgrößte Erdölproduzent der Welt, das Land muss jedoch wegen geringer eigener Raffinerie-Kapazitäten vierzig Prozent seines Benzinbedarfs einführen.
Auch London schloss sich der Position Washingtons an. Der Raketentest sei eine Bestätigung dafür, dass die internationale Gemeinschaft neue Sanktionen gegen Teheran verhängen müsse, erklärte der britische Premier Gordon Brown. Das Auswärtige Amt in Berlin zeigte sich ebenfalls besorgt. Die Meldungen über den Test seien "beunruhigend", sagte ein Sprecher.
Während im Westen harte Sanktionen gegen den Iran vorbereitet werden, scheint in Teheran noch keine Entscheidung über die offizielle Haltung Irans gefallen zu sein. Als die Regierung Mahmud Ahmadinedschads den im September mit den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland ausgehandelten Lösungsvorschlag im Atomkonflikt im eigenen Land als großen Sieg verkaufen wollte, stieß sie sowohl bei Konservativen als auch bei Reformern auf heftige Proteste.
Der einflussreiche konservative Parlamentspräsident Ali Laridschani bezeichnete den Vorschlag als "neuen Betrug der USA" und der Reformer Mir Hossein Mussawi sprach von einem Ausverkauf der iranischen Atomindustrie. Damit schwenkte auch Ahmadinedschad wieder auf den radikalen Kurs um und lehnte weitere Verhandlungen ab. Iran werde sein Uran selbst anreichern und zehn weitere Atomanlagen bauen.
Die Rivalitäten und Kontroversen innerhalb der Staatsführung haben die Islamische Republik unfähig gemacht, eine klare Position zu beziehen. Selbst Revolutionsführer Ali Chamenei, der in solchen Situationen das letzte Wort hat, kann sich offenbar nicht zu einer eindeutigen Entscheidung entschließen. Skeptiker vermuten hinter der Unentschlossenheit nur ein Spiel, um Zeit zu gewinnen. Aber das Zögern birgt große Gefahren in sich. US-Präsident Barack Obama sagte kürzlich, die Geduld seiner Regierung habe Grenzen. Er drohte mit harten Sanktionen und schloss auch die militärische Option nicht aus.
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