Atomindustrie: Absurde Spielchen
Gegen die geplante Brennelementesteuer wollen Energiekonzerne notfalls gerichtlich vorgehen. Zum Dank werden sie ins Kanzleramt geladen, wo sie andere Zusagen aushandeln könnten.
![](https://taz.de/picture/307332/14/Atomkraftwerk2.jpg)
Sobald es der Atomindustrie nur ansatzweise an den Kragen geht, wird sie ungemütlich: Die Energiekonzerne drohen der Bundesregierung mit einer Klage gegen die Einführung einer Brennelementesteuer. Dies berichtete am Wochenende die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf die beteiligten Unternehmen Eon, RWE, Vattenfall und EnBW.
"Die Steuerpläne werfen erhebliche Rechtsfragen auf", zitiert die Süddeutsche eine Quelle des Essener RWE-Konzerns. Eon argumentiere damit, dass die Steuerpläne gegen EU-Richtlinien verstießen, weil sie die Atomkraft als Energiequelle einseitig belasteten. Zudem seien sie mit dem Atomausstiegsvertrag aus dem Jahr 2000 nicht vereinbar.
Vor zwei Wochen hatte sich die schwarz-gelbe Regierungskoalition im Zuge des Sparpakets für die Einführung einer Brennelementesteuer entschieden. Sie soll dem Bundeshaushalt 2,3 Milliarden Euro jährlich einbringen. Dabei war jedoch von Anfang an umstritten, ob die Steuer nur in Kombination mit einer Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke erhoben werden soll. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) sprachen sich dafür aus, Unionsfraktionschef Volker Kauder war dagegen.
Am Mittwoch will sich Merkel laut Zeitungsbericht mit den Vorstandsvorsitzenden der vier großen Energiekonzerne im Kanzleramt treffen, um über die Steuereinführung zu diskutieren. Nach Aussagen der Regierung komme die Steuer auf jeden Fall. Juristische Probleme sehe man nicht.
"Das ist wirklich unverschämt", kommentierte Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die Industrie wolle einen Satz aus dem selbst ausgehandelten Ausstiegsvertrag uminterpretieren. Damals hieß es, die Nutzung der Atomenergie werde nicht durch einseitige Maßnahmen diskriminiert. Mit einer Steuer würden die Konzerne jedoch nicht zusätzlich belastet - vielmehr würden Begünstigungen abgebaut, meint die DUH. Zudem glaubt Rosenkranz, dass es für Merkel politisch extrem schwierig werde, auf die Vorschläge der Unternehmen einzugehen, da die Brennelementesteuer etwa ein Fünftel des gesamten Sparpakets ausmache. "Deshalb ist das Schlimmste zu befürchten: dass Merkel Zusagen an anderer Stelle an die Konzerne macht."
Auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderte Merkel am Wochenende dazu auf, sich nicht auf "absurde Spielchen" der Atomindustrie einzulassen. Wenn die Stromkonzerne nun mit einer Klage gegen die Brennelementesteuer der Regierung drohten, sei das auch der Versuch, im Gegenzug längere Laufzeiten für Atomkraftwerke durchzusetzen, sagte Roth der Nachrichtenagentur dpa.
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