Atomarer Abrüstungsvertrag: USA und Russland vor Einigung
Mit dem neuen atomaren Abrüstungsvertrag wollen Russland und die USA ihre weitreichenden Atomwaffen reduzieren. Unterzeichnet werden soll am 8. April.
Die USA und Russland haben sich weitgehend auf ein Nachfolgeabkommen für den im vergangenen Dezember ausgelaufenen Start-Vertrag von 1991 über den Abbau strategischer Atomwaffen geeinigt. Das neue Abkommen sieht die Halbierung der strategischen Trägersysteme (Langstreckenraketen, U-Boote und Fernkampfbomber) vor sowie eine Reduzierung der darauf montierten atomaren Sprengköpfe um ein Drittel. Dies bestätigten Genfer Unterhändler beider Seiten am Donnerstag der taz.
Letzte Differenzen über den Vertragstext sollen am Freitag bei einem Telefonat zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem russischen Amtskollegen Dmitri Medwedjew ausgeräumt werden. Bei einer endgültigen Einigung werden die beiden Präsidenten das neue Abkommen wohl am 8. April in Prag unterzeichnen. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hatte sich Obama mit einer Rede in Prag als erster US-Präsident der Geschichte zur Vision einer atomwaffenfreien Welt bekannt und konkrete Abrüstungsschritte angekündigt.
Als "strategisch" wurden im Kalten Krieg Atomwaffen mit Reichweiten von über 5.500 Kilometern definiert. Im Start-Vertrag von 1991 vereinbarten beide Seiten erstmals eine Reduzierung ihrer Arsenale von ursprünglich weit über 10.000 auf beiden Seiten. Der 2002 ausgehandelte Start-II-Vertrag sah eine weitere Verringerung auf jeweils maximal 1.600 Trägersysteme sowie höchstens 2.200 atomare Sprengköpfe vor. Obwohl Start II zunächst vom US-Senat und wegen der Kündigung des Raketenabwehrvertrages (ABM) durch Washington dann auch von der Duma in Moskau nicht ratifiziert wurde, setzten beide Seiten die Start-Vereinbarungen um. Nach dem künftigen Abkommen soll die Zahl der Sprengköpfe innerhalb von sieben Jahren auf 1.550 verringert und die Zahl der Trägersysteme auf 800 halbiert werden. Davon dürfen maximal 700 Raketen oder Fernkampfbomber sein.
Die ungefähre Größenordnung dieser Reduktionen hatten Obama und Medwedjew bereits im vergangenen Sommer vereinbart und damit die Hoffnung erweckt, das neue Abkommen werde rechtzeitig vor Auslaufen des Start-Vertrags am 4. Dezember 2009 fertig. Doch weiterhin strittig blieben bei den Verhandlungen die Frage der Überprüfung des Abkommens sowie die Raketenabwehrpläne der USA. Washington insistierte zunächst darauf, dass die permanente, mit bis zu 100 Inspektoren besetzte Überprüfungsstation in der Nähe der russischen Raketenfabrik Wotkinsk, die die USA nach Auslaufen des alten Start-Vertrags Anfang Dezember räumen musste, unter dem Nachfolgeabkommen wieder in Betrieb genommen werden kann. Das lehnte Russland, das seine Überprüfungsstation in den USA bereits geräumt hatte, jedoch ab. Im neuen Abkommen sind derartige Überprüfungsstationen nicht mehr vorgesehen. An dieser Frage könnte die Ratifizierung im US-Senat scheitern, für die Obama mindestens 67 Stimmen benötigt, also die Unterstützung durch acht republikanische Senatoren. Bislang haben die Republikaner zur Bedingung gemacht, dass die Überprüfungsbestimmungen des alten Start-Vertrags erhalten bleiben - also auch die US-Überprüfungsstation in Wotkinsk.
Insbesondere das russische Militär hatte die Vereinbarung eines Start-Nachfolgeabkommens ursprünglich davon abhängig gemacht, dass die USA ihre Raketenabwehrpläne aufgeben oder zumindest einschränken. Diese harte Vorbedingung hat die Regierung Medwedjew bei den Verhandlungen der vergangenen Monate zwar aufgegeben, weil sie politisches Interesse an einem Abkommen mit Washington hat. Lediglich in der Präambel des neuen Abkommens ist nun allgemein der "Zusammenhang zwischen offensiven Waffen und Raketenabwehrsystemen" benannt. Doch selbst diese vage Formulierung könnte Obama Probleme bei der Ratifizierung im Senat bereiten. Russische Unterhändler jedenfalls leiten aus dieser Formulierung das Recht ab, dass Moskau den neuen Vertrag aufkündigen könne, sollten die USA "einseitig" ein Raketenabwehrsystem aufbauen.
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