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Atom-Endlager in Wismut-Schächten?

Radioaktiver Müll soll in Absetzbecken des Uranbergbauunternehmens Wismut AG gekippt werden  ■ Von Reimar Paul

Es wird immer wahrscheinlicher, daß das Uranbergbauunternehmen Wismut AG Teile seines Betriebsgeländes als Dauerlager für radioaktive Abfälle nutzen will. Wolfgang Petter, Strahlenschutzbeauftragter des Uranerzbergbaubetriebs Seelingstädt, bestätigte auf Anfrage „Denkmodelle“, wonach das bei den bevorstehenden Demontage- und Abbrucharbeiten anfallende radioaktive Material im Schlammabsetzbecken Culmitz eingelagert werden soll. Ob möglicherweise auch betriebsfremder Strahlenmüll aus anderen Atomkraftwerken oder Betrieben der Brennelementefertigung in den Culmitzscher Schlammteich gekippt werden soll, konnte Petter nicht bestätigen.

Örtliche Umweltschützer dagegen vermuten das. Die Berliner SPD- Bundestagsabgeordnete Siegrun Klemmer glaubt, daß auf dem Wismut-Gelände „klammheimlich“ ein Endlager für atomare Abfälle aus der gesamten Bundesrepublik und dem Ausland errichtet werden soll. Der Bundesregierung warf die Parlamentarierin eine „Desinformation“ vor, da sie die von der Wismut AG vorgelegten Sanierungspläne unter Verschluß halte.

Die Aufbereitungsfabrik „AB102“ im thüringischen Seelingstädt— mit einer Jahresförderung von drei Millionen Tonnen Uranerz — ist seit 1960 in Betrieb. In unmittelbarer Umgebung dieser Anlage errichtete die Wismut AG auf Tagebauterrain insgesamt vier Absetzbecken für radioaktiv und chemisch belastete Abfallschlämme. Mit einer Oberfläche von anderthalb Quadratkilometern und einem Volumen von 86 Millionen Kubikmetern ist der Culmitzscher Giftteich weltweit der größte. Durch den porösen Boden sickert die radioaktiv strahlende Flüssigkeit ständig ungehindert ins Erdreich. In einem Wassergraben nahe dem Dorf Zwirtschen ermittelten Mitarbeiter des Berliner Informationsdienstes „Strahlentelex“ Radioaktivitätswerte von bis zu 25.000 Becquerel pro Kubikmeter.

Für die These, daß die Wismut AG den Culmitzscher Giftteich mit weiterem Strahlendreck verfüllen will, spricht auch das Teilsanierungskonzept für die zweite, 1989 abgeschaltete Uranerzaufbereitungsanlage in Crossen bei Zwickau. Dieses — der taz vorliegende — Konzept sieht vor, einen großen atomaren Schrottplatz einzurichten, auf den alle kontaminierten Geräte und Materialien vom Gelände der Aufbereitungsfabrik sowie rund 60.000 Kubikmeter belasteter Bauschutt einfach in die Absetzanlage von Oberrothenbach gekippt werden sollen. Umweltschützer und betroffene Gemeinden protestieren dagegen. Ihrer Ansicht nach erschwert jedes Kilogramm zusätzlich eingelagerter Schrott eine Sanierung der Giftteiche erheblich.

Auch der jetzt vom Seelingstädter Aufbereitungsbetrieb veröffentlichte „Umweltbericht“ hat für Unruhe gesorgt. Danach sind allein in Thüringen 42 Flächen durch die Wismut AG radioaktiv verseucht. Nach Darstellung des Wismut-Abteilungsleiters Karl-Heinz Eife, der als früherer Direktor der Seelingstädter „AB 102“ heute für die Sanierungsvorbereitung verantwortlich ist, besteht an keiner der 42 „Verdachtsflächen“ eine unmittelbare Gefährdung. Dennoch müsse „unbedingt“ saniert werden — „um auch für die Zukunft allen Fällen vorzubeugen“.

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