: Atempause in Sudans brutalem Wüstenkrieg
Die Regierung in Khartum und Darfurs Rebellen vereinbaren Feuerpause. UNO startet Hilfsappell für Vertriebene
BERLIN taz ■ Im Krieg zwischen regierungstreuen Milizen und Rebellen in Darfur im Westen des Sudan gibt es jetzt Aussicht auf Hilfe für die Bevölkerung. Die sudanesische Regierung und die beiden Darfur-Rebellenbewegungen SLA (Sudan-Befreiungsarmee) und JEM (Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit) haben am Donnerstag in Tschads Hauptstadt Ndjamena ein Waffenstillstandsabkommen vereinbart. Es soll formell am 15. April unterzeichnet werden und drei Tage später in Kraft treten. Es sieht danach für zunächst 45 Tage eine Feuerpause vor, „um ohne Einschränkungen schnelle humanitäre Hilfe für die bedürftigen Bevölkerungen Darfurs zu ermöglichen“, wie es im Text des Abkommens heißt.
In Darfur, eine Region von der anderthalbfachen Größe Deutschlands im wüstenhaften Westen des Sudan, geht die Regierung des Sudan seit über einem Jahr mit Milizen gegen die Rebellen der SLA und JEM vor, die sich auf marginalisierte einheimische Ethnien stützen. Rund eine Million Menschen sind auf der Flucht, fast ausschließlich Frauen und Kinder, davon über 800.000 innerhalb Darfurs und rund 130.000 im westlichen Nachbarland Tschad. Der humanitäre Koordinator der UNO, Jan Egeland, nannte den Konflikt in Darfur letzte Woche die schlimmste humanitäre Katastrophe der Welt und sprach von „ethnischer Säuberung“ und „systematischer Entvölkerung“ durch die Milizen. UN-Generalsekretär Kofi Annan drohte am 7. April in Genf mit militärischem Eingreifen in Darfur und brachte dies in Zusammenhang mit den Lehren, die die Weltgemeinschaft aus ihrem Versagen beim Völkermord in Ruanda vor zehn Jahren ziehen müsse.
Das Waffenstillstandsabkommen entstand unter dem Eindruck dieser Äußerungen und sieht auch vor, dass die Regierung „die Milizen neutralisiert“. Als letzte Woche Friedensgespräche zu Darfur im Tschad begannen, boykottierte Sudans Regierung noch den Auftakt, und die JEM-Rebellen drohten mit Rückzug. Tschads Regierung schlug dann vor, zunächst über humanitäre Belange zu reden und die politischen Fragen auszuklammern. Daraus entstand dann das jetzt unterzeichnete Abkommen, das keine der politischen Streitigkeiten klärt, aber die weltweiten Rufe nach Zugang zu den Kriegsopfern besänftigt.
Die Hilfswerke der UNO bereiten sich nun auf eine massive Hilfsaktion in Darfur vor. Das humanitäre UN-Koordinationsbüro OCHA hat international um 115 Millionen Dollar für Darfur selbst und weitere 30 Millionen für Darfur-Flüchtlinge im Tschad gebeten – im September 2003 bezifferte die UNO den gesamten Hilfsbedarf noch mit 23 Millionen Dollar. Bisher hatten Hilfswerke in Darfur dieses Jahr nach UN-Angaben Zugang zu nur 320.000 Bedürftigen in Darfur. Nach UN-Lageberichten nimmt die Zahl der Vertriebenen, die aus niedergebrannten Dörfern in die Städte der Region ziehen, täglich zu.
Tschads Präsident Idriss Déby kann sich jetzt als Basis für eine massive Hilfsaktion in Darfur anbieten und sich damit innenpolitisch stabilisieren. Es ist harte Konkurrenz zu erwarten zwischen Tschad, Kenia als bisheriger Basis der internationalen Sudan-Hilfe und dem Sudan selbst, dessen Regierung möglichst viel Kontrolle wahren will.
DOMINIC JOHNSON