piwik no script img

Asylunterkünfte-TÜV in SachsenWo Chemnitz an der Spitze steht

Sachsen hat die Unterkünfte für Asylsuchende erstmals einem "Heim-TÜV" unterzogen. Ein Fazit: In Städten lebt es sich besser als auf dem Land.

Mehr als nur symbolische Schokolade: Der Heim-TÜV basiert auf der Qualität der Unterbringung. Bild: dpa

DRESDEN taz | "Ich komme wieder" - das versprach Sachsens Ausländerbeauftragter Martin Gillo (CDU) schon kurz nach seinem Amtsantritt 2010, als er eine erste Besuchsrunde in sämtlichen sächsischen Asylbewerberheimen drehte.

Damals fiel in einer ersten, groben Bewertung seiner Behörde noch die Hälfte der 31 kontrollierten Heime durch. Beim neuen "Heim-TÜV", den Gillo nun im Dezember vorstellte, stufte sie jetzt nur noch sieben als "unangemessen" ein. Die meisten Unterkünfte landeten im Mittelfeld, nur bei fünf zeigte die Bewertungsampel hingegen ein zufriedenes Grün an.

Seit zwei Jahren setzt sich der Deutschamerikaner Martin Gillo, einst Manager in Kalifornien sowie zuletzt Wirtschaftsminister in Sachsen, im Freistaat für eine neue "Willkommensgesellschaft" ein. Die soll auch für Asylbewerber gelten - weshalb sich der 66-jährige Gillo für deren dezentrale Unterbringung, die Aufhebung der Residenzpflicht und eine vereinfachte Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen stark machte.

Gillos "Heim-TÜV 2011" listet die sächsischen Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber nun detailliert nach zehn Kriterien auf. Neben dem Zustand der Heime und der Qualität der Betreuung spielen dabei auch die Integration von Kindern, Bildungsangebote, Mitwirkungsmöglichkeiten und die soziale Anbindung der Flüchtlinge eine Rolle.

Seit dem letzten Besuch wenig geändert

Auf 140 Seiten wurden die Heime dann nach den Ampelfarben sortiert. Grün entspricht dabei dem Wert "plus eins", rot einem "minus eins". Die Broschüre gibt darüber hinaus noch eine Vielzahl mündlicher Einschätzungen und Hinweise wieder. Am Schluss finden sich zudem praktische Empfehlungen, wie sich die Unterbringung der Asylbewerber während der oft viel zu lange dauernden Verfahren verbessern lässt.

Am besten schnitten zwei Heime in Chemnitz ab. Dahinter folgen Unterkünfte in Leipzig und Dresden, den beiden größten Städten des Freistaats. Ganz am Ende der Skala finden sich vor allem Heime, die auf dem Land liegen - zwei Heime im Landkreis Leipzig sowie einige Häuser in anderen Landkreisen oder kleineren Städten, denen ohnehin schon die Schließung droht.

Über das gute Abschneiden ihrer Stadt gibt sich eine Sprecherin des Rathauses Chemnitz eher bescheiden. Die "Sieben Anregungen für ein weltoffeneres Sachsen" Gillos von 2010 hätten zwar den Anstoß gegeben, mehr dezentrale Unterkünfte anzubieten.

Doch das Betreuungskonzept habe man zwischen dem ersten und zweiten Besuch des Ausländerbeauftragten nicht viel geändert. Derzeit lebt noch etwa die Hälfte der insgesamt etwa 280 Chemnitzer Asylbewerber in Sammelunterkünften. Dort kümmert sich ein kommunaler Sozialarbeiter um sie, monatlich trifft sich ein Heimbeirat.

Zuschüsse vom Landkreis

Als Schlusslichter rangieren zwei Heime in Thräna und Elbisbach. Zu ihrer Verteidigung wendet eine Sprecherin des Kreises Leipziger Land ein, dass die Häuser immerhin den gesetzlichen Vorgaben entsprächen. Grund für das schlechte Abschneiden seien auch die geänderten Maßstäbe Gillos, der ein größeres Gewicht auf die sozialpädagogische Betreuung lege. Dafür werde es aber "demnächst eine Lösung geben", glaubt die Sprecherin des Kreises Leipziger Land - die werde aber auch mehr Geld kosten.

Weil die Betreuungsgelder nicht mehr ausreichen, schießt der Kreis derzeit aus eigenen Mitteln jährlich 1 Million Euro zu. In seiner Broschüre übt der Ausländerbeauftragte Gillo deshalb auch Kritik an seinem Freistaat, der die Kostenpauschale für die Träger seit zehn Jahren nicht mehr erhöht hat.

"Ich werde die roten Heime unangemeldet wieder besuchen", hat der sächsische Ausländerbeauftragte schon mal angekündigt. Die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände bestärkt Gillo darin, nur ja nicht in seinen Bemühungen nachzulassen. Doch auch in anderen Bundesländern ist man inzwischen auf die Idee eines "Heim-TÜV" aufmerksam geworden. Insbesondere mit Thüringen gibt es Gespräche, wie sich auch dort die Unterkünfte wirksamer kontrollieren lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • S
    Spitze

    Unrühmliche Spitze ist Chemnitz, seit der so genannten politischen Wende 1989/1990, hierhin, sich von Schienen-Verkehr (Fern- und Nahverkehr) nahezu vollständig abgekoppelt zu haben.

    Chemnitz ist zu einer Art Hinterland, piefiger Provinz mutiert (worden).

    Ganz davon abgesehen, herrscht bei den Mitarbeitern vom Servicepoint im Hauptbahnhof Chemnitz ein Ton, der dem auf einem Kasernenhof gepflegten Befehlston nahe kommt. Gemeint ist hier der Kasernenhof-ähnliche-Ton der Mitarbeiter/innen vom Service-Point im Hauptbahnhof Chemnitz gegenüber Reisenden.

    In Zügen der DB AG (hierbei bin ich Zeugin) werden Menschen, bei denen Zugbegleiter überzugt sind, diese Reisenden seien Nichtdeutsche, regelmäßig angeschnauzt, gejagt und zurechtgewiesen.

    Sachsen - kein Land, um stets zu verweilen, nurn notgedrungen.

  • K
    kotzenhilft

    Hier ist ein Bundesland anderen weit voraus.

    Wäre wünschenswert, wenn sich andere Bundesländer anschließen würden?

    Nur seit wann sind Asylbewerberunterkünfte ein Aushängeschild und eigenen sich zum Wahlkampf? Gut, vielleicht wird 2012 ein solches Jahr? Bislang hat man die Asylbewerber (jedenfalls in anderen Bundesländern) doch am liebsten in Industriegebieten in die verdreckten und maroden Unterkünfte weggesperrt, um nicht länger darüber nachdenken zu müssen.

     

    Da muss schon ein Mensch mit einem entsprechenden Hintergrund und Rückgrat kommen, um einen Asylbewerberunterkunfts-TÜV auch in anderen Bundesländern durchzuführen. Und davon gibts meines Wissens unter Politikern leider verdammt wenig. Versucht es mal in Süddeutschland. Armes Deutschland.

     

    Den Zuständigen in Sachsen vielen Dank. Hut ab und viel Kraft im weiteren Kampf für Menschlichkeit und Gerechtigkeit.