: Asyl oder Todesstrafe
■ Angehörige politischer Gefangener in Chile berichteten in der Zionsgemeinde von Folter und Verantwortung der BRD
Norbert Blüm - das konnte man im Fernsehen beobachten - war wirklich betroffen, als er sich vor einem Jahr in Chile mit Familien-Angehörigen politischer Gefangener traf. Wochenlang füllten er und (nebenbei) die Menschenrechte Titelseiten bundesdeutscher und chilenischer Zeitungen. Hauptthema: die Lage von 14 politischen Gefangenen, denen die Todesstrafe droht. Die Todesstrafe droht ihnen im Moment mehr denn je, denn für drei von ihnen ist der Prozeß in zweiter Instanz vor 14 Tagen angelaufen, und demnächst wird mit dem Urteil gerechnet.
Für die Angehörigen der politischen Gefangenen, die momentan die Bundesrepublik bereisen, ist das alles keine Frage der Konjunktur. Am Donnerstag abend waren sie in der Zionsgemeinde in Bremen, um vor ca. 30 Interessierten über die Lage ihrer Verwandten aufzuklären - d.h. über Isolationshaft und Folter, die z.B. dem Sohn von Ettelvina das Gehör zerstörte, über die Einschüchterung der Anwälte durch Bombenanschläge und telefonische Todesdrohungen'über Militärgerichte, die der Verteidigung keinen Raum lassen.
Hilfe hatten sie sich in vier Punkten erhofft: Erstens wollen sie eine deutsche Juristendelegation nach Chile holen, damit sie die dortige Rechtssprechung vor Ort kennenlernt, zweitens geht es um die Aufnahmegenehmigung für die politischen Gefangenen, denen die Todesstrafe droht, drittens um finanzielle Unterstützung für ein Juristenbüro und viertens um die Anerkennung der deutschen Nationalität Karin Eitels, einer politischen Gefangenen, de
ren Großvater aus Hamburg kommt. Erreicht haben sie bisher wenig. Das Auswärtige Amt, so die Delegation gegenüber der taz, habe sich für machtlos erklärt und den Angehörigen geraten, sich an die Parteien zu wenden.
Was ist aus dem Engagement der Bundesregierung für die 14 politischen Gefangenen geworden? Wolfgang Riedle, der die Delegation begleitet, erklärt der taz: „Die Regierung ist nur einem Bundestagsbeschluß verpflichtet, der besagt, daß den 14 nach dem „Recht auf Asyl für politisch Verfolgte“ bei Handlungsbedarf eine Aufnahmebereitschaft zusteht. Sie wartet nun auf die Verurteilung. Dann ist es allerdings zu spät, denn nach dem Urteil muß die Hinrichtung innerhalb von 48 Stunden vollzogen werden. Es bliebe den Anwälten nur noch eine Normenkontrollklage beim Obersten Gerichtshof, wobei den Richtern Mißbrauch der Amtgewalt vorgeworfen wird. Das könnte aber per Verwaltungsbeschluß schnell abgelehnt werden.“
Natürlich würden die 14 mit einem Asyl in der Bundesrepublik nicht automatisch vor der Todesstrafe verschont bleiben. Aber sie hätten eine Chance, denn nach chilenischer Gesetzgebung könnten sie ausgewiesen werden. Und es hätte politische Bedeutung: „Wenn die Bundesregierung die Aufnahmebereitschaft aussprechen würde“, so Riedle, „dann müßte die Botschaft in Santiago die Militär-Regierung darüber offiziell unterrichten. Das wäre ein diplomatischer Akt, der politischen Druck impliziert und in der Presse erscheinen würde.“
Iris Stolz
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