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Asyl nur noch im Einzelfall

■ OVG Schleswig: Keine Gruppenverfolgung von Kosovo-Albanern

Nun machen auch die Gerichte in Schleswig-Holstein einen Rückzieher: Seit gestern können Kosovo-Albaner auch im nördlichsten Bundesland nur nach einer Einzelfallprüfung auf Anerkennung ihrer Asylanträge hoffen.

Die Mitglieder dieser Volksgruppe seien „allein im Hinblick auf ihre ethnische Abstammung keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt“, teilte das Oberverwaltungsgericht in Schleswig gestern mit. Es schloß sich damit in zwei Entscheidungen der Auffassung der meisten Verwaltungsgerichte in der Bundesrepublik an und rückte von einer Entscheidung aus dem Vorjahr ab. Von diesem Richterspruch sind in Schleswig-Holstein 500 Menschen betroffen, so viele Asylbegehren sind dort derzeit von Kosovo-Albanern gerichtlich anhängig, schätzt Schleswigs Gerichtspressesprecher Manfred Voswinkel.

Im Februar 1994 hatte das Oberverwaltungsgericht (Az. 3 L 84/91) der Volksgruppe noch einen Asylanspruch zuerkannt. Zur Begründung hieß es damals, aus der Summe der gewalttätigen Übergriffe auf Albaner im Kosovo und der durch den serbischen Staat veranlaßten gesetzlichen und admini–strativen Repressionsmaßnahmen könne jeder dort lebende Albaner die begründete Furcht herleiten, selbst alsbald Opfer der Verfolgungen zu werden.

Diese Betrachtungsweise war vom Bundesverwaltungsgericht im Juli 1994 nicht gebilligt worden: Ein staatliches Programm zur Vertreibung aller Albaner aus dem Kosovo sei nicht belegt, urteilte das oberste Gericht damals.

Vor diesem Hintergrund kippte jetzt auch das Oberverwaltungsgericht in Schleswig um. Nunmehr erklärt es, aus den bekannt gewordenen Einzelfällen könne die Regelvermutung einer Verfolgung aller Mitglieder der Volksgruppe nicht hergeleitet werden. Vielmehr müsse gesondert in jedem Einzelfall geprüft werden, ob bei Rückkehr in die Heimat politische Verfolgung droht. Nach dieser Regelung wird auch in Hamburg verfahren.

dpa/taz

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