Asterix-Übersetzerin Penndorf: "Die spinnen, die Römer!"
Asterix wird 50. Keiner hat sich so intensiv mit ihm beschäftigt wie Gudrun Penndorf. Sie hat Namen wie Verleihnix und Grautvornix geschaffen – und ihre Übersetzungen sind längst geflügelte Worte
taz: Frau Penndorf, wie feiern Sie Asterix' 50. Geburtstag?
Gudrun Penndorf: Ich bin von einer der Pariser Universitäten eingeladen, dort am Freitag einen Vortrag zu halten. Da wird zwei Tage lang mit kompetenten Asterix-Kennern aus aller Welt ein Symposion veranstaltet und sicher auch herrlich gefeiert. Ich freue mich auch sehr auf das Wiedersehen mit der englischen Übersetzerin Anthea Bell.
Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit Asterix und Obelix erinnern?
Gudrun Penndorf, geboren 1938, ließ sich in Heidelberg und München zur Dolmetscherin für Französisch und Italienisch ausbilden. 1966 kam sie zum Ehapa Verlag und übersetzte zunächst Disneys Lustige Taschenbücher und Lucky Luke. Ende der 60er wurde sie beauftragt, Asterix ins Deutsche zu übertragen. Ausdrücke wie "Die spinnen, die Römer" und "Orgien, Orgien, wir wollen Orgien" gehen auf sie zurück. Gudrun Penndorf lebt in München und gibt an der Ludwig-Maximilians-Universität Kurse für Wirtschaftsfranzösisch.
Die Geschichte: Am 29. Oktober 1959 ging der erste Asterix-Band über die Theke. Die Erfinder René Goscinny und Albert Uderzo erdachten das Abenteuer um die unbeugsamen Gallier in einer Pariser Sozialwohnung. 24 der insgesamt 34 Bände gestalteten sie zusammen. 1977 starb Goscinny, seitdem zeichnete und textete Uderzo im Alleingang. Mit dem letzten Band "Asterix und Obelix feiern Geburtstag", der seit 22.Oktober im Handel ist, gibt auch Uderzo die Feder ab. Künftig zeichnen die Grafiker Thierry und Frédéric Mebarki.
Der Erfolg: Das erste Album startete mit 6.000 Exemplaren, mit jedem weiteren Band verdoppelten sich die Verkaufszahlen. Besonders hierzulande ist die Fangemeinde groß: Rund 330 Mio. Bände wurden bisher verkauft, 110 Mio. davon in Deutschland. Asterix gibts in 107 verschiedenen Sprachen, u. a. auch Latein und Altgriechisch oder in Mundarten wie Schwäbisch und Sächsisch.
Die Übersetzer: Weil er die Helden "Siggi und Babarras" taufte, aus Galliern Germanen machte und das benachbarte Römerlager in "Bonhalla am Rhein" umbenannte, wurde dem ersten Übersetzer Ralf Kauka die Lizenz entzogen. Schließlich brachte Gudrun Penndorf Band 1 bis 29 ins Deutsche. 1992 trennte sie sich nach einem Jahre andauernden Streit um Urheberrechte vom Ehapa Verlag. Die letzten Asterix-Bände hat Klaus Jöken übersetzt.
Ja, sehr wohl. Eine damals in München lebende französische Freundin zeigte mir den ersten Asterix-Band und meinte: Das ist zum Totlachen. Für mich war es zwar nicht die erste Begegnung mit Comics - ich hatte bereits für den Ehapa Verlag Walt-Disney-Comics übersetzt -, aber das hier schien mir mehr Tiefgang zu haben. Dass man mir dann die Übersetzung antragen würde, ahnte ich an diesem Winternachmittag noch nicht.
Vor Ihnen hat Ralf Kauka aus Asterix und Obelix "Siggi und Babarras" gemacht. Heute hat Asterix in Deutschland die höchsten Auflagenzahlen. Wie haben Sie das geschafft?
Rolf Kauka hatte als erster deutscher Verlag die Lizenz für Asterix bekommen. Als stockreaktionärer, deutschnationaler Zeitgenosse hatte er nichts Besseres im Sinn, als die Geschichte auf diese Schiene umzumünzen, aus Asterix wurde Siggi, der Germanenheld, als Obelix Babarras und so fort. Die spinnen, die Deutschen, muss sich der französische Verlag gesagt haben, entzog Kauka die Lizenz und prüfte fürderhin jegliche Übersetzung nach. Ja, es heißt, die deutschen Bände haben weltweit nach Frankreich die höchsten Auflagezahlen. Ich denke, das hat viele Gründe: die wunderbare französische Vorlage, in Text und Bild, die notwendige verlegerische Promotion und wohl auch der bis heute nahezu unveränderte deutsche Text.
Auch die legendäre Donald-Duck-Übersetzerin Erika Fuchs arbeitete damals für den Ehapa Verlag. In welchem Verhältnis standen Sie zu ihr?
Der Verlag bat mich, mit ihr Kontakt aufzunehmen, als ich mit der Übersetzung der sogenannten Lustigen Taschenbücher begann. Sie hat mir die ersten Manuskripte redigiert und viele gute Tipps zur Sprechsprache gegeben.
"Die spinnen, die Römer" stammt aus Ihrer Feder und ist heute zu einem geflügelten Ausdruck geworden. Wie lange haben Sie daran herumgefeilt?
Da kommen zwei Dinge zusammen. Zuerst war die Phrase "Ils sont fous, ces Romains", die im ersten Band noch gar nicht auftaucht, von der Verlagsredaktion für den Vorabdruck in der Comiczeitschrift MV Comics mit "Uuii, die Römer sind doof" übersetzt worden. Damit war schon mal die expressive Rechtsversetzung, das nachgeklapperte "die Römer", gekillt. Das müsste unbedingt zu retten sein, dachte ich mir. Dann überlegt man sich, was kann man noch sagen für "être fou" außer "verrückt" oder "doof", und irgendwann macht's dann klick! Und es hieß "Die spinnen, die Ägypter, die Römer, die Berliner".
Aus Abraracourcix wurde Majestix, Miraculix heißt im Französischen Panoramix. Wie sind Sie auf die Namen gekommen?
Diese Namen wurden in der damaligen Redaktion kreiert. Die Namen der Protagonisten Asterix, Obelix und Idefix durften nicht verändert werden. Und so war der deutsche Verlag auch am Anfang sehr darauf bedacht, die Originalnamen beizubehalten. Erst bei Band 8, den Briten, gelang es mir, den Verlag zu überzeugen, die Chance, die Namen deutsch neu zu erschaffen, nicht zu verschenken!
Ihr skurrilstes Erlebnis während Ihrer Asterix-Zeit?
In "Asterix und die Normannen" gibt es diesen jungen Mann Goudurix - Geschmack am Risiko -, der die Normannen das Fürchten lehren soll. Kaum hatte ich den Grautvornix genannt, da fuhr ich eines Tages hinter einer schrottreifen Ente her, die hinten die Aufschrift Grautvornix trug. Ich wäre fast draufgefahren vor Freude.
Hat Sie der gallische Machismo manchmal gestört?
Mit den Bardamen in Maestria war die Welt wieder halbwegs in Ordnung!
Sie haben auch Lucky Luke ins Deutsche übersetzt. Muss man da anders vorgehen als bei der Übersetzung eines Asterix?
Ja, hier lagen keine solche Fülle von Wortspielen vor wie in Asterix. Aber die Sprache war sehr schön, kultiviert und schwer zu übersetzen.
Bekommen die Figuren einen anderen Charme durch die Übersetzungen?
Schwer zu sagen. Eigentlich sollten die Personen ihre vorgegebene Identität nicht verlieren. Den Fischhändler, der französisch "Ordralfabétix", also "in alphabetischer Ordnung" heißt, habe ich nach seiner Charakteristik "Verleihnix" genannt. Das soll aber nicht heißen, dass dies die einzige Art und Weise war, so vorzugehen. Die französischen Namen bestehen mal aus einzelnen Wörtern, mal aus Wortkombinationen, mal aus ganzen Sätzen. Das habe ich dann ähnlich nachvollzogen, wie in beispielsweise Schlagdraufundschlus, Nixalsverdrus, Hintenrum, Seisdrum, Mordstrum, Macteefürzweifix, Strammermax, Ganzbaf, Bratensos. Gerade dadurch, dass es fast nie um die Charakterisierung der Person ging, kamen einem die Ideen umso leichter.
Auf welches Heft sind Sie besonders stolz?
Oje! Stolz ist der falsche Ausdruck. Eltern, die auf ihre Kinder stolz sind, kommen mir immer verdächtig vor. Ich schwanke zwischen Kleopatra und den Briten, aber auch die Normannen sind einmalig. Und die Tour de Gaule! Ein Traum! Und und und? Am meisten gefiel mir fast immer der Band, den ich gerade übersetzt habe.
War es schwierig, die versteckten Anspielungen in die deutsche Kultur zu übersetzen?
Meinen Sie das Hakenkreuz in den Flüchen der Goten? Um keinen Unmut aufkommen zu lassen, hat der deutsche Verlag dieses in anderem Zusammenhang ja ganz harmlose Symbol einfach aus der Folie herauskratzen lassen. Die Pickelhauben als zeichnerische Anspielung finde ich ganz gelungen. Wer genau schaut, findet auch Bismarck und Hitler porträtiert.
Sie haben sich 1992 vom Ehapa Verlag getrennt, weil Sie sich dagegen gewehrt haben, nicht von der weiteren Verwendung Ihrer Übersetzung bei den Dialekt-Ausgaben zu profitieren. War es traurig, Asterix und Obelix in die Hände eines anderen Übersetzers zu geben?
Die Angelegenheit wurde mit einem Vergleich beendet. Aber ich denke, der zwölf Jahre währende Kampf hat schon einen Fortschritt in Richtung Urheberrechtswahrung für die Übersetzer gebracht. Traurig, dass dieser Abschnitt zu Ende war? Ja schon, aber 29 gesunde eheliche Kinder sind doch auch ein Grund zur Freude, oder?
Die letzten Bände hat Klaus Jöken übersetzt. Gehen Männer anders mit Comicfiguren um als Frauen?
Traditionell lesen mehr Männer als Frauen Comics. Ich glaube, ich bin die einzige Frau in Deutschland, die ein eigenes Comicarchiv hat. Zu dem Thema kann ich auch eine Geschichte erzählen, die ich selbst miterlebt habe. Auf einer Comicmesse habe ich ein Pärchen beobachtet, Mitte dreißig, gut gekleidet. Er nimmt ein Heft in die Hand, blättert es durch. Sie: "Aber so ein Ähnliches hast du doch schon!" Das bringt doch alles auf den Punkt.
Manche Kollegen mögen Asterix nicht mehr, seit sie eine lateinische oder bayerische Ausgabe geschenkt bekommen haben. Schauen Sie auch manchmal in eine der Asterix-Dialekt-Ausgaben rein?
Ja, ganz gern. Aber wenn ich dann in der bayrischen Ausgabe lese, dass der Druide plötzlich mit der silbernen statt der goldenen Sichel die Misteln schneidet, dann frage ich mich schon, ob das ernst gemeint ist. Oder wenn Obelix als waschechter Gallier in fließendem Latein immer "super" sagt, dann finde ich das nicht lustig. Pardon!
Im neuesten Band "Asterix und Obelix feiern Geburtstag" trägt Obelix Hiphop-Kleidung, Asterix wird als seniler Großvater dargestellt. Haben Sie sich da gedacht: Der spinnt, der Uderzo?
Dazu kann ich nichts sagen, weil ich den Band noch nicht gelesen habe.
Die zwei Gallier sind mit Ihrem Erfinder Uderzo alt geworden. Sollte man sie langsam in den Ruhestand entlassen, oder ist es dafür eh schon zu spät?
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ist Asterix jetzt noch ein Bestandteil Ihres Lebens?
Nein, aber ich kenne Leute, die nannten ihren Hund Asterix! Ist nicht so mein Fall. Ich freue mich allerdings immer, wenn Kinder mir ihre Zeichnungen schicken oder wenn ich höre, dass sie mit Asterix lesen gelernt haben!
Welche der Figuren ist Ihnen am meisten ans Herz gewachsen?
Obelix natürlich! Er ist so schlau, das merkt man manchmal erst auf den zweiten Blick.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen