Asse II war schon immer undicht: Betreiber wusste Bescheid
Der neue Statusbericht sieht unverantwortlichen Umgang bei dem Betreiber. Die niedersächischen Bergbehörden wussten von den Lecks. Sie schauten tatenlos zu.
HANNOVER taz Nach dem von niedersächsischen Umweltministerium erstellten "Statusbericht über die Schachtanlage Asse II", den die Verfasser am Dienstag in Hannover präsentierten, gab es in in dem einst hochgelobten Versuchsendlager von Anfang an Laugenzuflüsse. Schon beim Abteufen des Schachtes II in der Jahren 1906 bis 1908 kamen bis zu 43 Kubikmeter Flüssigkeit aus der Wand. Anfang der 40er-Jahre flossen zeitweise bis 100 Kubikmeter Lauge täglich in das Bergwerk, 1979 sogar 432 Kubikmeter. Allein seit 1988 wurden 32 weitere aktive Zutrittsstellen festgestellt. Nunmehr liegt der Zufluss seit Jahren bei knapp 12 Kubikmetern.
Die Gesellschaft für Strahlen- und Umweltforschung (GfS), die später im Helmholtz-Zentrum aufging, konnte sich also von Anfang an ausrechnen, dass der Atommüll in der Asse nicht trocken bleiben würde. Gegenüber den örtlichen AKW-Gegnern sprachen die Betreiber dennoch jahrzehntelang von trockener und sicherer Einlagerung.
Zudem wurde den Anwohnern lange Zeit das Märchen von der "versuchsweisen Endlagerung" erzählt, das aber niemand glauben wollte. Zu Recht, wie nun im Statusbericht nachzulesen ist: Die Einlagerungsgenehmigungen seien zwar stets befristet gewesen, die letzte sei 1978 ausgelaufen. Die Befristung habe sich aber immer der Erprobung von Einlagerungstechniken und nicht auf den Verbleib des Atommülls im Bergwerk bezogen. "Zwischen allen Beteiligten bestand Einvernehmen, dass die eingelagerten Abfälle auf Dauer in der Asse verbleiben sollte", heißt es in dem Bericht.
In dem ehemaligen Salzbergwerk bei Wolfenbüttel wurden zwischen 1967 und 1978 rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Atomabfällen eingelagert. Mindestens zwei Fässer enthielten nach Angaben von Bundesumweltminister Gabriel Kernbrennstoffe, und insgesamt sollen in der Asse rund 9 Kilogramm Plutonium lagern.
Der Betreiberwechsel in der Asse wird jetzt vor allem wegen des rechtswidrigen Umgangs mit kontaminierter Lauge in den letzten Jahren dringlich. Die Helmholtz-Spezialisten, so der Bericht, hätten mit Cäsium kontaminierte Lauge im tiefsten Stockwerk ihrer Atommüllkippe ohne Genehmigung versenkt. Dabei haben die niedersächsischen Bergbehörden mitgemacht, und das übergeordnete Landesumweltministerium hat mehr oder minder uninformiert zugeschaut.
Schon 2002 erklärte der Betreiber dem Landesbergamt, "dass Laugen in die Einlagerungskammern eintreten, von Abfallgebinden, die möglicherweise beschädigt sind, Kontaminationen abwaschen und vor den Abfallkammern mit einer Aktivitätskonzentration von ca. 200.000 Becquerel austreten". Nach dem Statusbericht hat das Landesumweltministerium von der damaligen Besprechung nichts mitbekommen. Erst 2006 ging ihm erstmals ein Quartalsbericht zu, in dem von kontaminierten Betriebslösungen die Rede ist. Das schreckte in Hannover aber niemanden auf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!