Asiantisches Kino: Kleine Insel, große Bühne
In dem Spielfilm "Die Töchter des chinesischen Gärtners" geht es um unterdrückte Frauen und verbotene lesbische Liebe - im China der 80er-Jahre.
Eine Praktikantin reist zum berühmten Pflanzenkundler auf eine einsame Insel. Inmitten üppiger Natur verliebt sie sich in dessen Tochter. Das hat zur Folge, dass alle drei den Tod finden. Dem Professor bleibt das Herz stehen, das Liebespaar wird hingerichtet. - Die Handlung lässt sich mit dürren Worten wiedergeben. Sie hat den Stellenwert des Librettos in der Oper. Um was es dem Film geht - wie manchen anderen neuen Filmen aus China -, ist offensichtlich, ein Tableau zu etablieren, auf dem sich große Gefühle entwickeln können. Die kleine Insel wird zur großen Bühne. Drumherum dreht sich die Welt. Zu sagen gibt es nicht viel. Wohl aber zu hören. Musik rauscht auf. Alles hat seine Ordnung. In der Oper hat man die Gewissheit, dass man der Komposition vertrauen darf. Bei "Die Töchter des chinesischen Gärtners" bettet man sich in den zeremoniellen Ablauf von Jahreszeit, Tag und Nacht, Pflanzenpflege und Pediküre. Gleich zu Beginn sieht man in einer beruhigend langen Großaufnahme, wie An (Li Xiaoran) mit zarter Hand den Fuß des Vaters säubert und salbt.
Die Kamera kann sich nicht sattsehen an solchem Ritual. Es bekommt in diesem Film eine religiöse Dimension, steht aber auch für die Rolle, die das China der Nach-Mao-Zeit dem Mädchen zuweist. Die Tochter dient dem Herrn, der ihr Vater ist. Außerdem noch was? Antwort: nein. Doch einen Wunsch äußern? Wieder grantelt der Professor. Kein freundliches Wort zu dienstleistenden Frauen. Wieder wird die Praktikantin (Mylène Jampanoi) gedemütigt. "Für den Abendtee nimmt man fünf Gramm weniger - und Regenwasser!", doziert der Gelehrte entnervt. Am Schluss des Films werden die einander liebenden Frauen dem Herrn in strengem Ritual und ergebenen Gesten eine Teekanne reichen, in der Wasser und nichts weiter ist.
So weit folge ich dem Film gern. Doch was er abfeiert - die Zeremonien des Alltags, die Schönheit der Landschaft, die Vitalität der Natur -, entleert seinen Sinn. Der Film wird zum Dekor, vor dem die beiden Frauen nicht minder zeremoniell ihren Körper entdecken, pflegen und einander Liebesdienste erweisen. Der Rolle, die ihnen als Frauen zugedacht ist, vermögen sie sich nicht zu entziehen. Die Anpassungsstrategie misslingt. Die Praktikantin heiratet den Bruder der Geliebten, Dan, um bei ihr bleiben zu können. Der autoritäre Vater hat jetzt Tochter und Schwiegertochter, und Soldat Dan ist wieder weg in Tibet. - Mit der Heirat wird der Film zum Drama. Statt schöner Panoramen und lullender Melodien knallen unvermittelt deftige Dialogsätze in die erotische Stimmung. Am Polterabend spricht die Braut zur Freundin: "Dir gehört meine Unschuld - und nicht Dan."
Gesagt, getan. Der autoritäre Dan rächt sich mit böser Folter. Die Frauen sitzen in der Falle. Ein viel zu großer Beo spricht in seinem viel zu kleinen Käfig zum abermalten: "Lang lebe Mao Tse-tung". Der Volksgerichtshof verurteilt zum Tode. Wir sehen das Ende in schneller Schnittfolge, die grandiose Inszenierung vom Anfang endet im banalen Videoclip. - Das könnte eine Aussage sein. Ist es aber nicht, weil im allerletzten Bild die schon fatale Megaästhetik wieder an der Macht ist. Ein Priester überantwortet in exquisiter Liturgie die Asche des Paares der Weite der Natur. Jetzt haben wir es wieder, das allgemeine Panorama. Alles auf Anfang, aber aufgewertet mit lesbischer Liebe.
Nein, bei allem guten Willen, ich komme mit der Ästhetik des Films nicht zurecht. Dai Sijie (Buch und Regie) hat vor fünf Jahren in Cannes mit "Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" Aufsehen erregt. Doch jetzt reimen sich plakative Sprache und gefühlige Stimmungen nicht. Was bleibt, ist das Zusammenspiel der Frauen, wobei die Französin Mylène Jampanoi es schwer hat, sich neben dem beeindruckenden TV-Star Li Xiaoran als Chinesin auszugeben. - Gewiss ist es eine Tat, mit diesem Film die Frauen verachtende Repression in Chinas postmaoistischen Achtzigerjahren anzuklagen - und die Tabuisierung der lesbischen Liebe noch heute. Der Film konnte in China nicht gedreht werden, wohl aber in Vietnam. Für den, der diese Informationen nicht hat, ist es jedoch sehr wohl China, an dessen Panoramen er sich weidet.
"Die Töchter des chinesischen Gärtners". Regie: Dai Sijie. Mit Mylène Jampanoi, Li Xiaoran u. a., Frankreich/Kanada 2006, 95 Min.
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