Arztbesuch fast 18-mal im Jahr: Deutsche gehen häufiger zum Doktor
Die Zahl der Arztkontakte in Deutschland ist um 8,4 Prozent gestiegen, Wartezimmer werden immer voller. Die Wirkung der Praxisgebühr ist damit verflogen.
BERLIN ap/taz Eigentlich sollte die vor fünf Jahren eingeführte Praxisgebühr von 10 Euro die BürgerInnen dazu bringen, seltener zum Arzt zu gehen. Doch daraus wurde nichts. Die Deutschen gehen immer häufiger zum Doktor, inzwischen fast 18-mal im Jahr. Die Zahl der Kontakte stieg von 2004 bis 2007 um 8,4 Prozent, wie die Gmünder Ersatzkasse (GEK) am Donnerstag vorrechnete.
Statistisch gesehen suchen an jedem Werktag 6,3 Prozent der gesamten Bevölkerung Rat bei einem Mediziner, montags sogar 8 Prozent. Damit werden die Wartezimmer immer voller, wie auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung bestätigte.
Die GEK hat die Daten ihrer eigenen Versicherten auswerten lassen und auf die gesamte Bevölkerung hochgerechnet. Demnach gingen 2007 jeden Werktag durchschnittlich 5,2 Millionen Menschen zum Arzt. Was für die Mediziner bedeutet, dass sie täglich Dutzende von Patienten durch ihre Praxen schleusen müssen, im Schnitt pro Arbeitstag 38 Patienten. Dass die Kranken nur kurz beraten und ihnen stattdessen Arzneien verordnet würden, sei deshalb kaum verwunderlich, sagte GEK-Vorstandschef Ulrich Schlenker.
Die Praxisgebühr habe 2004 zunächst dazu geführt, dass die Behandlungszahlen um etwa 10 Prozent zurückgegangen seien, erklärte der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Roland Stahl. Dieser Effekt sei jedoch verflogen. Stahl vermutete eine Gewöhnung der Patienten an die Gebühr. Außerdem hätten viele Kassen ihren Mitgliedern die Gebühr erlassen, etwa im Rahmen von Hausarzt- oder Chronikerprogrammen.
Für die steigende Zahl der Arztkontakte hatten aber weder die Krankenkasse noch die Bundesvereinigung eine Erklärung. Die Alterung der Bevölkerung wurde bei der Studie herausgerechnet. Dass gerade am Montag besonders viele PatientInnen in die Praxen kommen, läge daran, dass Patienten bei Beschwerden am Wochenende die erste Gelegenheit zum Arztbesuch am Montag nutzten, so Stahl.
GEK-Chef Schlenker mahnte eine bessere Steuerung in der ambulanten Versorgung an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“