Arte-Komödie „Kebab mit alles “: Politisch korrekter Kleinkrieg
„Kebab mit Alles“ ist ein etwas zu vorsichtiger Multikulti-Film (Freitag, 21.50 Uhr, Arte) – aber eins fehlt ihm nicht: der spezifisch österreichische Humor.
Wir befinden uns im Jahr 2011. Die ganze Wiener Brunnengasse ist von den Türken besetzt … Die ganze? Nein. Ein von unbeugsamen Stammgästen besuchtes Kaffeehaus hört nicht auf, sich den Eindringlingen entgegenzustellen – allen voran der Pächter Johann Stanzerl (Andreas Vitásek): „Café Prinz Eugen. Wiener Tradition seit 1868“ hat er auf sein Schild geschrieben.
Mustafa Öztürk (Tim Seyfi) ist neu in der Straße und tickt ganz anders als Stanzerl: „Wien ist so eine schöne Stadt! Modern, weltoffen – und die Leute haben einen tollen Humor.“ Öztürk will sein neues Restaurant genau da aufmachen, wo Stanzerl sein Café erweitern will. Zeitgleich machen sie sich von verschiedenen Seiten an den Mauerdurchbruch und stehen einander wenig später fassungslos gegenüber, Gesicht zu Gesicht. Sie stellen fest, dass sie der alte Eigentümer beide übers Ohr gehauen hat, bevor er sich nach Indonesien abgesetzt hat.
Viele Österreicher haben ein verblüffend unverkrampftes Verhältnis zum eigenen Chauvinismus. Das irritiert uns Deutsche, hält uns aber nicht davon ab, die Österreicher um vieles zu beneiden: um die Berge, die Mehlspeisen, den Wiener Opernball – ja, ach, um Wien und den spezifischen Wiener Humor. Da müssen wir Mustafa Öztürk Recht geben.
Der schlägt sich auch in den Filmen nieder. Allein in den vergangen Jahren sind wunderbare Exempel des humoristischen österreichischen Films entstanden, die kein deutscher Regisseur so hätte hinkriegen können. Höchstens der Münchner Helmut Dietl in seinen besten Zeiten. So gnadenlos, doppelbödig, schwarz, bissig, lakonisch, grotesk, sezierend. So dialogisch brillant.
Eine gewisse Erwartungshaltung
Etwa der von Arte gezeigte Zweiteiler „Aufschneider“ von David Schalko, mit Josef Hader. Überhaupt Hader, der auch in „Indien“ gespielt hat und in den Adaptionen der Simon-Brenner-Romane von Wolf Haas: „Komm, süßer Tod“, „Silentium“ und „Der Knochenmann“.
Bei besagten Wolf-Haas-Verfilmungen hat stets Wolfgang Murnberger Regie geführt und das Drehbuch geschrieben, zusammen mit Wolf Haas und Josef Hader. Er hat seine große Kunstfertigkeit mehrfach unter Beweis gestellt. Wenn also Wolfgang Murnberger einen Film zu verantworten hat, dann besteht da eine gewisse Erwartungshaltung.
Lange Vorrede, kurzer Sinn: „Kebab mit Alles“, von Arte als „charmante Multikulti-Komödie“ angekündigt, ist weder unsympathisch noch unkomisch – aber doch ein bisschen läppisch. Da führen also der Pächter Stanzerl und der Neuankömmling Öztürk ihren Kleinkrieg um die Immobilie – ein bisschen was wird hübsch augenzwinkernd überspitzt, aber was Arte verspricht, stimmt nicht: dass der Film auf politische Korrektheit verzichte.
Im Gegenteil. Zwar darf Stanzerl seine fremdenfeindlichen Parolen skandieren: „Wien darf nicht Istanbul werden!“ und „Österreich den Österreichern!“ Er hat ein paar wirklich fiese Tricks auf Lager, sagt selbstzufrieden: „Manchmal mag i mi selber net.“
Aber leider fehlt ihm ein Gegner auf Augenhöhe. Mustafa Öztürk bleibt immer in der Defensive, er bleibt der integrierte, assimilierte Vorzeigetürke, der das ihm geschenkte Lamm gerade nicht schlachtet, das böse Klischee gerade nicht bedient. Da darf die ganze Familie ungeniert lachen – kein Lachen, das im Halse stecken bleibt. Und am Ende löst sich aller Zwist ganz wundersam in Wohlgefallen auf, die Streithähne verbrüdern sich. Und Stanzerls Ressentiments sind perdu.
Alle? Nein. Ein hübsches Detail des Films ist, dass sich Stanzerl immer wieder von einem imaginierten Prinz Eugen – dem Oberbefehlshaber im Großen Türkenkrieg, dem Retter Wiens – strategisch beraten lässt. Nach dem Friedensschluss kündigt ihm Stanzerl die Freundschaft auf: „Geh scheißen, du schwuler Franzos’!“
„Kebab mit alles“, Arte, Freitag, 21.50 Uhr
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