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Archiv-Artikel

Arsenal spielt noch mit

Bayern München (Oliver Kahn) schlägt Arsenal (Jens Lehmann) im Achtelfinale der Champions League mit 3:1, muss sich laut Franz Beckenbauer im Rückspiel aber dennoch warm anziehen

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Der Fluchtweg war klar: straight forward, nix wie raus. Drei Buden kassiert, nicht immer hundertprozentig gut ausgesehen, und das in der Heimstatt des ewigen Rivalen, vor den Augen des Bundestrainers. Von den ständigen Pfiffen, Schmähgesängen und Schneeballattacken gar nicht erst zu reden, die ist er ja gewohnt. Jens Lehmann wollte nur noch runter vom Rasen des Münchner Olympiastadions, weg vom Ort der Schmach. Mitten in seinem flotten Marsch Richtung Umkleidekabine warf er noch einen Blick hinüber zum Kollegen Kahn – und änderte abrupt die Laufrichtung. Bog im 90-Grad-Winkel links ab, machte einen Umweg über das Schiedsrichtergespann und reichte dem Lieblingsfeind die Hand. Ein paar Worte, ein Klaps, servus. So schlimm kann’s nicht sein zwischen den beiden.

Der Grund für Lehmanns überraschenden Laufweg lag womöglich im Endergebnis. 3:1 hatte der FC Bayern das Achtelfinal-Hinspiel gegen Arsenal London gewonnen – klingt toll, hätte aber noch viel besser kommen können. Es waren die Minuten nach dem 2:0, als es um Lehmann und die zehn anderen Nichtengländer von Multi-Kulti-Arsenal nicht gut aussah. Der leider erst nach 57 Minuten eingewechselte Scholl hatte mit seinem ersten Ballkontakt per Freistoß Pizarros zweiten Treffer (58.) vorbereitet. Dessen Kopfball wurde vom Unglücksraben Touré abgefälscht, schon bei Pizarro-Tor Nummer eins (4.) war der unfreiwilliger Vorbereiter.

Der folgende Bayern-Sturmlauf machte den merkwürdig blutleer agierenden Londonern zu schaffen: Lehmann wischte eine hohe Flanke Salihamidzic (65.) vor die Stiefel – 3:0. Die Kamera blieb auf dem Torwart: kaugummikau, kopfschüttel, gibtsdochgarnicht, irgendsowas muss er gemurmelt haben. Sein nächster Ballkontakt: ein missratener Weitschuss ins Seitenaus, höhnischer Jubel von den Rängen: „Ohne Lehmann fahr’n wir zur WM.“ Minuten später schießt Frings, bis zu Scholls Einwechslung der einzige deutsche Feldspieler, frei vor Lehmann nur ans Außennetz. Es hätte ein furchtbar bitterer Abend werden können für Deutschlands Torwart Nummer zwei.

Doch Tourés Treffer zwei Minuten vor Schluss gibt nicht nur Lehmann Anlass zu Hoffnung. Bayern-Trainer Felix Magath, zuvor ungewöhnlich aktiv an der Seitenlinie, musste nach dem Spiel länger und immer wieder auf die verpasste Chance rekurieren: „Wir haben es Arsenal erlaubt, in 14 Tagen wieder mitzuspielen. Der Gegner war am Boden, hatte gar keine Lust mehr mitzuspielen, aber wir haben es nicht verstanden, das zu nutzen. Statt wie gegen Dortmund nachzulegen, haben wir Angst gekriegt, haben uns damit begnügt, 3:0 zu führen, statt mit einem 4:0 das Rückspiel überflüssig zu machen.“ Ganz warm anziehen müsse man sich dort, meinte anschließend Franz Beckenbauer, Magath befürchtet 90 Minuten Kampf: „Man darf nicht glauben, dass ein 3:0 nach 80 Minuten schon das Ende ist. Nicht die Situation in der 88. Minute, sondern die gesamten letzten zehn Minuten haben zum Gegentor geführt.“

Trotz all der Kritik am fehlenden Killerinstinkt des Teams war man dennoch zufrieden. Manager Uli Hoeneß: „Das war ein tolles Spiel von uns.“ Der verletzt fehlende Michael Ballack: „Wir können uns freuen.“ Coach Magath: „Wir haben ein Ausrufungszeichen gesetzt.“ Nur die am Oberschenkel verletzte Teilzeitkraft Sebastian Deisler verweigerte eine Stellungnahme: „Lasst’s mich in Ruh.“ Gut möglich, dass ihm die neuerliche Diskussion um sein schleppendes Vorankommen beim FC Bayern auf die Nerven geht. Auf nur drei Kurzeinsätze hat er es in der Rückrunde gebracht, Paul Breitner und Lothar Matthäus rieten schon zum Vereinswechsel, eine Idee, mit der sich nun auch Beckenbauer anfreunden kann: „So hat es keinen Sinn, wenn er nur sporadisch zum Einsatz kommt. Wenn er meint, dass er zu wenig spielt, dann ist es besser, er geht woanders hin, wo er Spielpraxis sammeln kann. Vielleicht wird es darauf hinauslaufen.“

Deislers Trainer sieht das allerdings anders: „Mein Ziel ist es, ihn beim FC Bayern in die Mannschaft zu bringen“, sagte Magath, „Sebastian braucht die Geduld, wir brauchen die Geduld. Ich hab sie“, ließ der Bayern-Trainer wissen.