: Armer, armer Waldheim
■ Reaktionen aus Österreich zeigen viel Verständnis / Nur eine Handvoll Intellektueller fordern seinen Rücktritt
Als „Schock“ hat am Dienstag die den Sozialisten nahestehende Neue AZ die Entscheidung des US–Justizministeriums bezeichnet, den österreichischen Bundespräsidenten Waldheim auf die Liste unerwünschter Ausländer zu setzen: „Obwohl der Eintritt des Ereignisses zu befürchten war, ist es nun doch für die meisten Österreicher - egal ob sie Waldheim gewählt haben oder nicht - ein Schock.“ In einem Kommentar der konservativen Salzburger Nachrichten wird Waldheim auch kritisiert. Er habe „selbst ein gerüttelt Maß an Verantwortung für diese Entwicklung auf sich zu nehmen. Der unvorsichtige Umgang mit der Wahrheit über seine Vergangenheit, das Lavieren mit Erklärungen... haben bewirkt, daß die Glaubwürdigkeit jenes Mannes gelitten hat, der angetreten ist, den Staat Österreich nach außen hin als höchster Repräsentant zu vertreten.“ Nach Ansicht des Leiters des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, Simon Wiesenthal, hätte eine Verleumdungsklage Waldheims „alles gestoppt“. Wiesenthal sagte, er habe ihn schon während des Wahlkampfes im vergangenen Jahr darauf aufmerksam gemacht, daß „ein unschuldig Verleumdeter das Recht und die Pflicht hat, zu klagen“. Der Republikanische Club Neues Österreich begrüßte in einer Erklärung die Entscheidung der amerikanischen Regierung, Waldheim auf die „watch list“ gesetzt zu haben. Der Zusammenschluß von Künstlern und Intellektuellen, darunter der Sohn Kreiskys und der Zeithistoriker Michael Weinzierl, versuchte am Dienstag ohne Erfolg, eine Anzeige in österreichischen Massenblättern mit einer Rücktrittsforderung an Waldheim unterzubringen. In seiner Erklärung heißt es unter anderem: „Das ist kein Akt gegen Österreich. Nur 44 Prozent der Bevölkerung haben Waldheim wirklich gewählt. Sie müssen sich betroffen fühlen. Vor allem aber jene Politiker und Medien, die der österreichischen Bevölkerung immer wieder einreden wollten, die Angriffe gegen Waldheim seien nur eine Verleumdungskampagne des Jüdischen Weltkongresses... Mehr denn je fordert der Republikanische Club den Bundespräsidenten auf: Treten Sie ab.“
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