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■ Press-SchlagArmer Boris!

Besser den unwahrscheinlichen Erfolg einkalkulieren als hernach dumm dastehen. Haben sich auch die deutschen Eishockeyspieler gedacht und darum mit Weitblick eine „Goldprämie“ ausgehandelt. Welche 60.000 Mark pro Mann betragen soll und zur Auszahlung käme, wenn die deutsche Nationalmannschaft am 2. Mai in München erstens im WM- Endspiel stände und jenes zweitens auch gleich noch gewänne.

Nicht, daß die nach wie vor mehrheitlich oberbayrischen Kleinstädten entwachsenen Burschen zu viele Schläge auf und unter den Helm bekommen hätten. Auch größenwahnsinnig ist keiner geworden, es ist nur halt so, wie es der DEB-Teamchef Franz Reindl verkündet hat: „Wir wissen, daß wir jeden schlagen können.“

Moment mal! Jeden? Ist tatsächlich wahr. In Prag, letzten Mai, hat man den späteren Weltmeister Schweden weitestgehend auseinandergenommen, beim Deutschlandcup die Tschechen geschlagen, die Kanadier oder jene, die unter diesem Namen bisweilen dilettieren, sowieso. Und nun hat man letzthin in Kaufbeuren auch noch gegen die Russen gewonnen. Einen „historischen Sieg“ hat solches der Reindl Franz genannt, der schließlich noch selbst mittat, als „wir 16 oder 17 gekriegt haben.“ Nicht gegen denselben Gegner allerdings. Der nannte sich damals UdSSR, und deren Angreifer Boris Michailow nannte man „Wunderstürmer“, was zwar keineswegs übertrieben war, aber nicht bedeutet hätte, daß er nun besser gewesen wäre als die meisten seiner Kollegen Offiziere. Heute trainiert Michailow das russische Team, und wenn man ihn fragt, wie er mit der „Sbornaja“ abzuschneiden gedenke, guckt er auf den Boden, spielt an den Fingernägeln und sagt: „Erst wenn die WM beginnt, werden wir überlegen, welche Plazierung wir anstreben.“

Nun ja, was Michailow neuerdings zur Verfügung steht, hätte bei seinem Vorgänger und bald auch Nachfolger Viktor Tichonow noch vor wenigen Jahren nicht mal die Kabinen gefegt. Heute aber spielen 30 Russen, außer Bykow und Chomutow die Besten, versteht sich, in der nordamerikanischen NHL. Allerhöchstens zwei davon werden den Weg nach München finden. Armer Boris!

Selbige Probleme plagen auch die übrigen Titelanwärter, zuvorderst den Weltmeister Schweden, der gerade noch sieben Spieler des Vorjahres mitbringt. Im Gegensatz dazu kann man hierzulande, glaubt Franz Reindl, „die gute aktuelle Situation ausnützen“. Zwar hat der Philosophie-Professor Ludek Bukac seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren strukturelle Probleme und gehörige Defizite in der Nachwuchsarbeit natürlich nicht beheben können, aber er sagt: „Unsere Zukunft, obwohl nicht gut, ist doch wesentlich besser geworden.“

Sein Deutsch mag nicht perfekt sein, aber von der Sache versteht er etwas: Internationale Härte hat er den Spielern beigebracht, ihnen vermittelt, daß Spiele auf diesem Niveau nur über strikte spieltaktische Disziplin zu gewinnen sind. Und den Leuten, allesamt keine Genies, aber lernwillig, beigebracht, daß Erfolg auch eine Frage der Koppelung von Kräften ist. Bukac nennt es „professionelle Kollegialität“: Die Spieler unterliegen nicht mehr eifersüchtig-kleinlich persönlichen Stimmungen, sondern arbeiten geschäftstüchtig für den gemeinsamen Erfolg, weil sie wissen, daß er sich letztlich auch für jeden einzeln bezahlt macht.

Und der Druck, der auf dem Team lastet? „Ich glaube“, glaubt Reindl, „daß das härteste Spiel für uns das erste ist.“ Also morgen mittag, 14.30Uhr, gegen den Außenseiter Norwegen. Denn, so rechnen Reindl und Bukac: „Der Modus schirmt uns ab.“ Soll heißen, wenn das Minimalziel Gruppenplatz vier erreicht ist und man scheidet hernach im Viertelfinale etwa gegen Weltmeister Schweden aus, „sagt keiner was“ (Reindl). Was stimmt und auch nicht: Die Zuschauer wollen mehr und der DEB weiß ganz genau, daß man der Sportart mit einer Medaille, so hat es der Präsident Ulf Jäkel formuliert, „einen Schub fürs Jahr 2000“ verleihen würde.

Also, ihr Herren Bukac und Reindl: Was geht? Der meisterliche Protagonist der Prager Dialektikerschule bleibt wie stets klug in der Defensive: „Heute sieht es sehr gut aus, am nächsten Tag ganz anders.“ Und sein kongeniales Garmischer Hemdsärmelpendant, wie gewohnt, ein bisserl forscher: „Ich sag's ja, es muß halt alles ein bißchen passen.“ Peter Unfried

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