Armeeoffensive im Swat-Tal: Massenexodus in Nordwestpakistan
Die Zahl der Flüchtlinge aus Pakistans umkämpftem Nordwesten steigt auf 1,45 Millionen. Das UNHCR warnt vor einer "sich ausbreitenden humanitären Krise".
DELHI taz | Zigtausende Menschen sind am Freitag aus dem umkämpften Swat-Tal nördlich von Islamabad geflohen. Hunderte mit Flüchtlingen überladene Busse, Lkw, Autos und Motorräder drängten sich auf allen Straßen, die aus der größten Stadt Mingora herausführten.
Die Massenflucht setzte ein, nachdem die Regierung am Freitag für einige Stunden die Ausgangssperre aufhob, die sie vor knapp einer Woche über die umkämpfte Stadt verhängt hatte. Seitdem waren dort geschätzte 150.000 Menschen gefangen.
Flüchtlinge berichteten jedoch, dass bei weitem nicht alle Zivilisten die Stadt verlassen konnten. Es sei zu Rangeleien um Plätze in Bussen und auf Lkw gekommen, von denen es zu wenige gegeben hätte.
Augenzeugen berichteten von Menschen, die kranke Familienmitglieder zurücklassen mussten, weil diese nicht zur Flucht in der Lage waren. Sie sind jetzt in großer Gefahr. Denn offenbar bereitet sich die Armee, die den direkten Häuserkampf meist meidet, nun darauf vor, mit voller Härte gegen die in der Stadt verschanzten Militanten vorzugehen.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) spricht von einer "sich ausbreitenden humanitären Krise." 907.000 Menschen seien allein in den vergangenen 14 Tagen vor geflohen. 550.000 seien schon zuvor aus anderen Teilen von Pakistans unruhigem Nordwesten auf der Flucht gewesen. Die meisten von ihnen seien bei Gastfamilien untergekommen oder hätten sich Unterkünfte gemietet. Die Regierung bat schon vor einigen Tagen die Welt um Hilfe, um die Flüchtlinge versorgen zu können.
Immer mehr Menschen drängen sich in Auffanglagern in der Nähe von Peschawar, der Hauptstadt der Nordwest-Grenzprovinz. Die Situation zeigt, wie sich der langjährige Konflikt aus dem benachbarten Afghanistan nach Pakistan verlagert: Bis vor zwei Jahren lebten in den riesigen Zeltstädten eine halbe Million afghanische Flüchtlinge, manche seit den 80er-Jahren.
Die letzten von ihnen wurden 2008 in ihre Heimat zurückgeschickt. Nun sind die Lager wieder überfüllt, jetzt mit Menschen aus Pakistans Nordwesten. Weitere Hunderttausende werden aus den Kampfgebieten erwartet.
Am Schicksal der Flüchtlinge dürfte sich der Verlauf des Konflikts entscheiden. Denn erstmals steht Pakistans Öffentlichkeit hinter der Offensive gegen die Militanten. Auch ein Großteil der Flüchtlinge befürwortet Umfragen zufolge das harte militärische Vorgehen gegen die bewaffneten Islamisten.
Doch viele tote Zivilisten im Kriegsgebiet und anhaltend schwierige Lebensbedigungen für die Vertriebenen könnten die Stimmung kippen lassen. Schon gibt es erste Berichte, wonach Mitglieder verbotener militanter Islamistengruppen Hilfsgüter unter Flüchtlingen verteilen.
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