Argentinien in der Finanzkrise: Die Rente wird gerettet
Argentinien nimmt das Rentensystem in staatliche Obhut zurück. Die Opposition befürchtet, dass das Rentenvermögen für den Schuldendienst missbraucht wird
Als Reaktion auf die internationale Finanzkrise hat Argentinien jetzt die Verstaatlichung der privaten Rentenversicherung angekündigt. "Während die USA und andere Staaten ihre Banken retten, muss Argentinien seine Rentner schützen", erklärt die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner. Ein entsprechender Gesetzesentwurf werde umgehend im Kongress eingebracht.
Den privaten Rentenversicherern gehören in Argentinien 9,5 Millionen Versicherte an, von denen 3,6 Millionen jährliche Beiträge in Höhe von umgerechnet 3,5 Milliarden Euro leisten. Die eingezahlten Beiträge wurden überwiegend in Wertpapieren und Aktien angelegt. Insgesamt wird das Vermögen der privaten Rentenversicherung auf knapp 23 Milliarden Euro geschätzt. Allerdings haben die privaten Rentenversicherer in den letzten 12 Monaten Verluste von 20 Prozent hinnehmen müssen.
"Wir stehen vor dem Ende einer Epoche, es ist eine strategische Entscheidung", so die Präsidentin. "Angesicht der Verluste sehen wir heute weltweit, wie der Staat als Akteur zurückkehrt." Die private Altersvorsorge war 1994 unter der Regierung von Carlos Menem im Zuge einer allgemeinen Privatisierungspolitik eingeführt worden.
Die angekündigte Verstaatlichung wird auch von großen Teilen der Opposition und den Gewerkschaften befürwortet. Dennoch steht die Regierung im Verdacht, die Gunst der Finanzkrisenstunde zu nutzen: Die Opposition befürchtet, die Regierung werde Teile des Vermögens für den Schuldendienst einsetzen.
"Die Verstaatlichung ist zu begrüßen und absolut notwendig", sagte der linke Parlamentsabgeordnete Claudio Lozano. "Aber jetzt muss diskutiert werden, was mit den Geldern gemacht werden soll." Und wer sie verwaltet. Dass die Renten tatsächlich besser abgesichert werden, ist für ihn nicht garantiert. "Wenn die Regierung die Gesetzesinitiative im Schnelldurchlauf durch das Parlament bringt, dann will sie tatsächlich nur an die Kasse der Versicherten", glaubt auch der Vorsitzende der Radikalen Bürgerunion UCR, Gerardo Morales.
In den kommenden drei Jahren werden am Río de la Plata Verbindlichkeiten und Zinsen in Höhe von rund 25 Milliarden Euro fällig. Noch immer kann die Regierung in Buenos Aires nicht vorrechnen, wie sie den Schuldendienst bewerkstelligen will.
Die internationale Finanzkrise hat sich in Argentinien bisher vor allem durch die fallenden Rohstoffpreise ausgewirkt. Der sinkende Weltmarktpreis für Sojabohnen sorgt für geringere Exportsteuereinahmen.
Hinzu kommen ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum und eine steigende Inflation von rund 25 Prozent. Die Rede von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Staates macht seit Monaten wieder die Runde. Kurz vor dem letzten Staatsbankrott Ende 2001 hatte die Regierung einen Teil ihrer Auslandschulden aus der Rentenkasse bezahlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!