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■ Argentinien: Peronisten verlieren deutlich bei den ParlamentswahlenDas Ende des Modells Menem

Seit acht Jahren ist der argentinische Präsident Carlos Menem ungeschlagen aus allen Wahlen hervorgegangen; nun ist es geschehen. Die Wahlschlappe vom Sonntag hätte empfindlicher nicht sein können. Selbst die peronistische Hochburg – die Provinz von Buenos Aires – wurde von der oppositionellen Alianza genommen. Die Alianza konnte sich als Antikorruptionspartei profilieren – das haben die Wähler, eingedenk der ungenierten Korruption, honoriert. Gerade das Rechtssystem steckt voller peronistischer Seilschaften, eine Gewaltenteilung existiert de facto nicht. Wer in Argentinien die richtigen Freunde hat, hat nichts zu befürchten.

Weder bei den Ermittlungen im Attentat auf das Jüdische Kulturzentrum (Amia) noch bei den Ermittlungen im Fall des ermordeten Journalisten Luis Cabezas konnte die Justiz Brauchbares zutage fördern. Hinzu kommt: Die Angehörigen der Amia-Opfer warten seit drei Jahren auf einen Termin in dem Regierungspalast Casa Rosada. Doch Menem weigert sich, sie zu empfangen. Ein umstrittener Unternehmer, dem eine Verstrickung mit dem Mordfall Cabezas nachgesagt wird, bekam hingegen innerhalb von zwei Tagen einen Termin im Regierungspalast.

Neben der Korruption war die soziale Situation das zweite große Thema der Opposition. Zwar bietet die Alianza keine Alternative zum neoliberalen Modell Menems an, will es aber etwas freundlicher gestalten. Wie das konkret aussehen soll, wissen die Wahlsieger selbst noch nicht so genau. Daher haben die Wähler vor allem Menem abgewählt. Seine wirtschaftliche Schocktherapie hat zwar die Inflation beseitigt, aber die soziale Krise verschärft. Die Lebenshaltungskosten stehen in keinem Verhältnis zu den Löhnen – und die Arbeitslosigkeit hat sich bei 16 Prozent eingependelt. Mit einer Anstellung kommen die wenigsten über die Runden. Gerade der Mittelstand hat daher Alianza gewählt, da er fürchtet, sich bald in der Unterschicht der polarisierenden Gesellschaft wiederzufinden. Bei den Präsidentschaftswahlen vor drei Jahren haben die meisten noch mit Menem die Stabilität gewählt. Nun haben sie gegen die sozialen Kosten des Stabilisierungskurses votiert.

Dennoch war es keine reine Protestwahl. Das Modell Menem hat langfristig abgewirtschaftet. Mag das Wirtschaftsprogramm der Alianza dem von Menem zum Verwechseln ähneln, ihr Image ist ein anderes. Zumindest heute noch. Ingo Malcher

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