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„Are you a hooligan?“

■ Schwedens Polizei probt für die Fußball-EM 1992

PRESS-SCHLAG

Nun übt mal wenigstens für 1992!“ Diesen hämischen Rat einer Boulevardzeitung muß sich die schwedische Fußballmannschaft nach ihrem miserablen punktlosen Abschneiden in Italien ganz fest hinter den Spiegel klemmen. Denn mehr als ein Rauswurf in der ersten Runde soll's schon werden, ist man in zwei Jahren doch Gastgeber für die Europameisterschaften. Während die Kicker nach dem italienischen Streß erst mal Urlaub machen, ist eine andere Truppe schon voll eingestiegen: die Polizei.

Nach Italien wurde extra eine Beobachtungspatrouille geschickt, mit dem Auftrag, zu gucken, wie denn die dortigen Kollegen mit den gefürchteten Hooligans klarkommen. Der Bericht, mit dem die Späher zurückkamen, hat die Hooligan -Hysterie gleich jetzt entfacht. Motto: mit unseren Ressourcen, Gesetzen und Befugnissen gehen wir ohne Aufrüstung in dieser Schlacht unter. An eine bessere Waffenausrüstung ist dabei allerdings nicht gedacht. Noch nicht.

Aber das Arsenal der polizeilichen Befugnisse, der Zwangs und Strafmittel soll kräftig aufgeforstet werden. Ungehorsam gegen die Staatsmacht heißt es im Juristenschwedisch, wenn man einem Polizisten die Mütze stiebitzt oder ein „Stehenbleiben!“ nicht befolgt. Die Strafen für solche Ungehorsamkeiten sollen nach Polizeiwillen im Hinblick auf 1992 vervierfacht werden. Von sechs auf 24 Monate. Außerdem sollen Massenverhaftungen auf den Verdacht hin möglich sein, daß sich in der Menschenmenge möglicherweise Hooligans befinden.

Das mit den Massenverhaftungen ist eigentlich nichts Neues. Geprobt wird das schon seit Jahren. „Die sind ja brutaler als bei uns“, wunderten sich schon letztes Jahr im September englische Fußballfans, die zum WM-Qualifikationsspiel Schweden gegen England nach Stockholm angereist waren. Tatsächlich haben die damaligen brutalen Zugriffe im Zusammenhang mit willkürlichen Massenabgriffen, die auch völlig unbeteiligte Passanten trafen, zu einem juristischen Nachspiel geführt. Solche Arbeitsmethoden seien nicht zulässig, grollte der Justizombudsmann als oberster Hüter der juristischen Sauberkeit. Seitdem ist die Polizeiführung beleidigt: Sollen wir denn erst jeden mit Fahne und Fan -Shirt höflich fragen: „Excuse me, are you a hooligan?“, murrte ein Polizeisprecher.

Nein, das wäre zuviel verlangt, zumal diese Frage der Ordnung halber in allen Heimatsprachen der Teilnehmerländer gestellt werden müßte. Einfacher ist dann schon, erst mal einzusammeln und später in aller Ruhe die harmlosen Touristen, Passanten, Großmütter und Kleinkinder auszusortieren.

Ein spezielles Problem in diesem Zusammenhang ist schon durch die weitsichtige schwedische Alkoholpolitik gelöst: sündteuer und nur im staatlichen Laden zu haben. Jeder Fan, der den Stoff nicht kofferweise mitbringt - und da paßt der Zoll ganz gut auf - wird nach den ersten vollen Tagen auf dem Trockenen sitzen.

Reinhard Wolff

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