Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert

PROHIBITION Jedes Jahr sterben tausende Menschen an illegalen Drogen, zehntausende sitzen in den Gefängnissen – aber der Konsum nimmt nicht ab, sondern zu

BERLIN taz | Seit über einem halben Jahrhundert versuchen die Staaten der Welt, mit Verboten und Strafverfolgung gegen Produktion, Handel und Konsum von Drogen vorzugehen. Die Ergebnisse sind bestenfalls ernüchternd – eigentlich aber erschreckend: Tausende Menschen sterben jährlich an den Folgen des Konsums minderwertiger Drogen und unkontrollierter Beimischungen, Zehntausende sitzen wegen kleinerer Drogenvergehen in den Gefängnissen.

Im Zuge der Drogenbekämpfung kommt es – insbesondere in Lateinamerika – zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Das organisierte Verbrechen erwirtschaftet jährlich geschätzt knapp 500 Milliarden US-Dollar im Drogengeschäft – und der Konsum, der doch eigentlich durch das Verbot eingedämmt werden sollte, hat nicht ab-, sondern beständig zugenommen. Der „Krieg gegen die Drogen“, dem die Welt sich seit den 1960er Jahren verschrieben hat, ist nicht nur gescheitert, er hat weit mehr Probleme geschaffen als der Konsum an sich.

Diese Erkenntnisse sind inzwischen Konsens in den meisten drogenpolitischen Expertenrunden, und sie sind auch der Ausgangspunkt des Diskussionspapiers „Von Repression zu Regulierung. Ein lateinamerikanischer Vorschlag zur Reform der Drogenpolitik“, den die Wissenschaftler José Campero (Bolivien), Ricardo Vargas Meza (Kolumbien) und Eduardo Vergara (Chile) vorgelegt haben. Ihr Vorschlag: Entkriminalisierung und Regulierung der gesamten Wertschöpfungskette, von der Produktion über den Handel bis zum Endverbraucher, und das nicht nur – wie es in immer mehr Ländern von Uruguay bis zu einigen US-Bundesstaaten versucht wird – für Cannabisprodukte, sondern etwa auch für Kokain.

Ihrer Überzeugung nach könnten damit die Schäden verringert werden, die durch den Drogenkonsum entstehen für Konsumenten und Dritte, die Verwerfungen der Antidrogenpolitik selbst abgeschafft werden, die Einnahmen des organisierten Verbrechens minimiert und schließlich durch Besteuerung Einnahmen geschaffen werden, die für Gesundheitspolitik und den Kampf gegen das organisierte Verbrechen verwendet werden könnten.

Lateinamerika zahlt einen extrem hohen Preis

Es ist kein Zufall, dass solche Vorschläge in den vergangenen Jahren verstärkt aus Lateinamerika kommen: Der Subkontinent mit seinen Produzenten- und Transitländern hat für die prohibitive Drogenpolitik seit Langem einen extrem hohen Preis bezahlt. Nicht nur Mexiko, wo allein in der Amtszeit des Präsidenten Felipe Calderón rund 60.000 Menschen getötet wurden und inzwischen alle staatlichen Ebenen von der Mafia korrumpiert und unterwandert sind, leidet unter der Gewalt der Kartelle.

Auch kleine und institutionell schwache zentralamerikanische Transitländer wie El Salvador oder Guatemala müssen mit ansehen, wie die Finanzkraft der Mafia die Möglichkeiten demokratischer und rechtsstaatlicher Entwicklung immer weiter schmälert. Und: In immer mehr Ländern steigt der Konsum – sei es, weil Dienstleistungen für den Drogenhandel auf dem Weg nach Norden in Drogen bezahlt werden, sei es, weil billige und höchst gefährliche Abfallprodukte etwa der Kokainproduktion sich in den Armenvierteln des Südens ausbreiten.

Der prohibitive Ansatz der bisherigen Antidrogenpolitik, wie sie in den entsprechenden Konventionen der Vereinten Nationen niedergelegt ist, bietet für keines dieser Probleme Lösungen an – im Gegenteil. Er schafft die Probleme erst. Es ist an der Zeit – sind José Campero und seine Mitstreiter überzeugt –, sich von dieser ideologiegesteuerten Politik zu verabschieden. PKT