Rendsburgs jüdische Bilder-Geschichte

Elke Steiners ausdrucksstarker Historien-Comic gehörte zu den Bewerbungsunterlagen der Bremerin für ein Praktikum beim Jüdischen Museum von Rendsburg – jetzt ist er beim Bremer Label Panel erschienen

„Beim Arbeiten bekam ich kalte Füße: Darf ich das als Nichtjüdin?“

Karges Schwarz-Weiß bestimmt die Seiten. Die Figuren wirken wie Holzschnitte.

Sie sind die Hauptdarsteller in einem Comic-Strip, mit dem die Bremer Künstlerin Elke Steiner die Geschichte der jüdischen Kleinstadtgemeinde Rendsburg in Schleswig-Holstein erzählt. Als erste Autorin im deutschsprachigen Raum hat sie jüdisches Leben in die Welt der Bilderstreifen übersetzt. Das Bremer Comicmagazin „Panel“ veröffentlichte sie als Buch unter dem Titel „Rendsburg Prinzessinstraße“.

Mit der Idee hatte sich Elke Steiner um ein Stipendium im Jüdischen Museum Rendsburg beworben. „Sie konnte sofort überzeugen“, so Museumsleiterin Frauke Dettmer.

Ausdrucksstark führt der Historiencomic in die fast 250-jährige Geschichte der holsteinischen Kleinstadt. Auf neue Art erfahren die Leser, dass Laubhüttenfest und Sabbatmahl zum Alltag der lange aufstrebenden Gemeinde gehörten.

In harten Kontrasten ist der Toraschrein zu sehen, den die Nationalsozialisten in den November-Pogromen 1938 zerstörten. Mal in der Perspektive einer stark beschnittenen Nahaufnahme, mal aus der Totalen zeichnet die 31-jährige Künstlerin den Streit um Rabbiner und Lehrer und den Wandel von Traditionen nach: Die Alten sehen mit Bedauern, wie die junge Generation der Kleinstadt den Rücken kehrt.

Denn schon lange vor 1933 ist die Existenz der Gemeinde durch Abwanderung bedroht. „Zuerst war ich total sicher, das Thema als Comic umzusetzen“, erinnert sich Elke Steiner. „Erst beim Arbeiten bekam ich kalte Füße: Darf ich das überhaupt zeichnen als Nichtjüdin?“

Sie durfte, findet Frauke Dettmer und ist vom Ergebnis begeistert: „Fast mit filmischen Mitteln treibt der Comic die Handlung voran.“ Mit dem Mut zur Lücke gelinge „ein sensibler und diskreter Versuch, Geschichte zu erklären“, meint Elvira Noa, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Bremen. Sie hofft, dass sich, angeregt durch den Comic, auch mehr Jugendliche für die Geschichte des jüdischen Lebens in Deutschland interessieren. Auch anderswo löste der Band Zuspruch aus.

Mittlerweile war er mit Ausstellungen in Deutschland und der Schweiz und als Veröffentlichung in der Jüdischen Allgemeinen zu sehen. Niemand argwöhnte, die Zeichnungen veralberten das schrecklichste Kapitel deutscher Geschichte, obwohl der Comic als Kunstgattung in der Bundesrepublik noch immer geringer geschätzt wird als im europäischen Ausland und den USA.

„Ich bin sehr froh, dass Elke Steiner dieses Buch gemacht hat“, urteilt die jüdische Autorin und Schauspielerin Peggy Parnass. „Es klärt zwar rückwärts auf, gibt aber doch Informationen bis hinein in unser heutiges Leben.“

Mit einem bedrückenden Schluss: Am Ende machen die Nazis aus der Synagoge eine Fischräucherei, aus Angst vor der Deportation nimmt sich einer der letzten Rendsburger Juden das Leben. Eine komplett schwarze Seite kündet vom nahenden Inferno. Dieter Sell/epd

Elke Steiner, „Rendsburg Prinzessinstraße“ ist erschienen im Bremer Panel Verlag, 54 Seiten, 6,50 Euro