Schröder lobt Türkei

Bei der Bundestagsdebatte zum EU-Gipfel von Kopenhagen warnt der Kanzler die CDU vor einem „Kulturkampf“ um Ankaras EU-Bewerbung

BERLIN taz ■ Die EU-Beitrittshoffnungen der Türkei haben gestern im Bundestag die Debatte zum zurückliegenden europäischen Gipfel von Kopenhagen bestimmt. Kanzler Gerhard Schröder nutzte seine Regierungserklärung, um gleichermaßen vor einem Kulturkampf um die Türkei zu warnen wie vor Wahlkampfmanövern der Unionsparteien CDU und CSU. „Wer am Thema des Türkei-Beitritts einen neuen Kulturkampf – nach dem Motto ,Christliches Abendland gegen den Islam‘ anzetteln will, der will den Menschen vormachen, Muslime ließen sich aus unseren Kulturen und Gesellschaften heraushalten“, sagte Schröder.

Die Unionsfraktionsvorsitzende Angela Merkel bestritt, dass der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) im Landtagswahlkampf auf eine Türkei-Kontroverse setze. „Wir leben mit unseren türkischstämmigen Mitbürgern gut zusammen“, beanspruchte Merkel. Der Redner der Grünen, Rainder Steenblock, hielt der CDU-Vorsitzenden vor, Kochs „Kampagne“ nicht zu stoppen. Umgekehrt machte Merkel Schröder zum Vorwurf, in Kopenhagen als „Antreiber eines zügigen Beitritts der Türkei“ aufgetreten zu sein. CDU und CSU lehnen eine Aufnahme der Türkei in absehbarer Zeit ab, finden dafür aber auch in der Europäischen Volkspartei wenig Unterstützung.

Der EU-Gipfel hatte der Regierung in Ankara zugesagt, Ende 2004 zu entscheiden, ob dem Land ein konkreter Termin für Beitrittsverhandlungen genannt wird. Mit Blick auf diese Überprüfung forderte Schröder, „die Fortschritte der Türkei nicht allein dran [zu] messen, was Gesetz ist, sondern sehr genau daran, was Staatspraxis ist“.

Für eine direkte Kontroverse sorgte das strategisch motivierte Drängen der USA, den Nato-Staat Türkei baldmöglichst in die EU zu integrieren. Unter Anspielung auf das deutsche Nein zum Irakkrieg verdächtigte die Oppositionsführerin den Kanzler, er betreibe mit seinem Engagement zugunsten der Türkei „Kompensationsgeschäfte für andere nicht eingehaltene außenpolitische Versprechen“. Schröder widersprach: „Wir machen dieses Angebot nicht, weil andere es wünschen.“

Redner aller Fraktionen sowie der PDS rühmten die in Kopenhagen beschlossene Aufnahme der zehn osteuropäischen Beitrittsländer als historisch. Außenminister Joschka Fischer fehlte in der Debatte. Er hat Grippe. PATRIK SCHWARZ