KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

JULIA GWENDOLYN SCHNEIDER

In der Ausstellung von Stella Geppert bei Spor Klübü werde ich selbst zur Akteurin. Wie die Künstlerin trage ich ein Hütchen mit einer Röhre, aus der ein Kohlestift ragt. Ich schlüpfe unter eine Art Baldachin, das von einer filigranen Stahlkonstruktion gehalten wird und wippe zum Takt der Musik, während meine Kopfverlängerung schwarze Zeichen auf dem weißen Papierdach hinterlässt. Meine Spuren reihen sich ein in die meiner VorgängerInnen und MitstreiterInnen. Flüchtige und unbewusste Kopfbewegungen verdichten sich zu einer organischen Linienstruktur. Die Zeichnung der Eröffnungsinstallation kann besichtigt werden, die Künstlerin lädt aber auch zu einer offenen Gesprächsrunde unter dem Papierdach ein. Damit setzt sie ihre Enzyklopädie der Dialoge fort, Aufzeichnungsstudien von Gesprächen, die in Gepperts experimenteller Kommunikationsarchitektur stattfinden und zu einem späteren Zeitpunkt ausgestellt werden sollen (bis 8. 7. nach tel. Vereinbarung; am 3. 7. um 18 Uhr: Ausstellungsgespräch mit Stella Geppert, Freienwalder Str. 31).

 Während Gepperts Gesprächsgebäude etwas von innen nach außen stülpt, indem es dem Verhalten der TeilnehmerInnen in der Ausstellung mittels hinterlassener Spuren eine sichtbare Form gibt, hat Christoph Keller eine Versuchsanweisung erdacht, die eher nach innen führt. Wer seinem Experiment folgen möchte, legt sich auf eine weiße Bahre und setzt die rote Augenklappe und einen Kopfhörer auf. Eine Eieruhr weckt mich aus dem Wahrnehmungsexperiment, das Keller für seine Ausstellung Grey Magic entwickelt hat. Ausgangspunkt ist der rege Ideenaustausch kreative DenkerInnen verschiedener Disziplinen in den Zirkeln der Berliner Boheme zwischen ca. 1906 und 1918. Eine Diskussion, die sich um eine „Theorie des Aethers“ drehte. Dazu zählte ein Essay von Ernst Marcus über die Theorie der exzentrischen Empfindung, wonach die Grenzen zwischen dem wahrnehmenden Subjekt und der Welt fließend sind. Wie aber setzt man um, was sich nicht zeigen lässt? Die Galerie Esther Schipper durchzieht ein spiralförmiges Band aus beweglichen Lamellen. Mit blauen Spiralzeichnungen auf der einen Seite und Spiegelflächen auf der anderen wirkt der Raum, als ob er zerfließe (bis 5. 9., Schöneberger Ufer 65, Di.–Sa. 11–18).

 Mirjam Thomanns Installation bei Nagel Draxler ist hingegen von einer eigenartigen Starrheit befallen. Hier dreht sich alles um den Koffer, im weiteren Sinne um die Frage nach dem Reisen und der Bewegung. Doch die Kofferparade aus Beton rührt sich nicht von der Stelle. (bis 8.8., Weidinger Str. 2/4, Di.–Fr. 11–19, Sa. 11–18).