Schäfer müssen Beruf hüten

TIERE In Deutschland gibt es immer weniger Hirten. Darunter könnte auch die Natur leiden, denn die Herden sorgen für eine umweltfreundliche Landschaftspflege

„Wenn dieser Trend anhält, stirbt die Schäferei aus“

STEFAN VÖLL, VDL

VON KATHARINA SCHWIRKUS

BERLIN taz | In idyllischen Naturlandschaften in Deutschland kann man sie treffen: Schafe und ihre Halter. Ob in Norddeutschland an Deichen, auf Heiden in Süddeutschland oder in Naturschutzgebieten an den Stadträndern. Doch nur wenige wissen, dass die schöne Natur von den Schafen abhängig ist und nicht umgekehrt. Durch den Tritt und Verbiss von Pflanzen sorgen Schafe für ein dichtes Wurzelsystem und stabilisieren die Dämme. Die schönen Wacholderheiden in Bayern sind sogar nur dank der jahrhundertealten Wanderschäferei entstanden.

„Bei dem idyllischen Bild vom Schäfer vergessen viele Leute, dass Schäferei ein knochenharter Job ist. Für ihren Beitrag zum Naturschutz bekommen sie viel zu wenig Anerkennung“, sagt Nicolas Liebig, bayerischer Landessprecher des Deutschen Verbands für Landschaftspflege (DVL).

Das Problem besteht nicht nur in Deutschland: Schaf- und Ziegenhirten in ganz Europa sehen sich mit immer schwierigeren Arbeitsbedingungen konfrontiert. Am Wochenende erst haben sich deshalb Vertreter aus 17 Ländern von Südeuropa bis zum Polarkreis in Koblenz getroffen, um bei einem dreitägigen Treffen das europäische Hirten-Netzwerk zu gründen. Dies soll laut Günther Czerkus vom Bundesverband Berufsschäfer mehr Aufmerksamkeit für die Belange von Hirten schaffen: „Wir sind so wenige, wir werden einfach nicht gesehen“, sagte er. Problematisch sei etwa, dass wegen Straßenbau oder Enteignung Stück für Stück Weideflächen wegfielen oder nicht mehr erreichbar seien.

Hüteschäfer, so wird der Beruf im Fachjargon genannt, beweiden vom Frühjahr bis in den Spätherbst Naturflächen mit ihren Schafen. In dieser Zeit müssen sie gegen sechs Uhr morgens das erste Mal nach den Schafen sehen und bis spät abends bei der Herde bleiben. Ein oder zwei Hunde unterstützen den Schäfer dabei, den Gang der Schafe zu kontrollieren. „Das Schaf würde sonst hinlaufen, wo es ihm gefällt, auch auf die Straße“, sagt Schäfer Peter Reuter aus Hammelsburg. Am Abend wird ein Zaun um die Fläche mit den Schafen gespannt. Er soll vor dem Wolf schützen, der gerade wieder nach Deutschland kehrt.

Im Vergleich zu Ländern wie Belgien, Polen, Rumänien und der Slowakei stehen Deutschlands Schäfer noch gut da. Dort gibt es kaum noch Herden. Allerdings ist die Schäferei in den letzten fünf Jahren auch hierzulande um 20 Prozent zurückgegangen. „Wenn dieser Trend anhält, stirbt die Schäferei auch in Deutschland aus“, warnt der Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände (VDL), Stefan Völl.

Im Unterschied zum Rest Europas leidet die Schäferei in Deutschland vom Wegfall der Mutterschafprämie. Das Ende dieser Prämie wurde mit der EU-Agrarreform im Jahr 2005 beschlossen. Deutschland ist das einzige Land, das die Reform zu 100 Prozent umgesetzt hat. Die Prämie berechnete sich in Abhängigkeit zum durchschnittlich Marktpreis in der EU für Lammfleisch und lag zwischen 30 bis 50 Euro pro Mutterschaf in der Herde. Damit wurde ein Anreiz für den Schäfer geschaffen, seine Herden zu vergrößern.

Heute hängen die Zuschüsse für Schäfer, genauso wie für alle Bauern in Deutschland, von der Größe ihrer landwirtschaftlichen Flächen ab. „Viele Schäfer besitzen keine großen Flächen und haben durch die Regelung Verluste gemacht. Einige von ihnen sind daher umgeschwenkt und haben in die Biogasherstellung investiert, die in Deutschland stark bezuschusst wird“, erklärt Jürgen Metzner, Geschäftsführer des DVL.

Doch die Verbände versuchen, gegen den Verlust der Schäferei zu steuern: Im schafreichsten Bundesland Bayern hat der DVL bereits vor zwei Wochen ein Bündnis ins Leben gerufen, in welchem Verbände und Institutionen zusammenarbeiten sollen, die sowohl von der Schäferei profitieren als auch Konflikte mit dieser haben. In dem Bündnis sind beispielsweise der bayerische Jagd- und Bauernverband vertreten, deren Interessen sich traditionell mit denen von Schäfern beißen. DVL-Geschäftsführer Metzner erklärte, man wolle mit dem Bündnis „auf Landesebene für die Probleme der Schäfer sensibilisieren und hierdurch den Druck auf die Politik stärken“. Das Bündnis in Bayern solle ein Vorbild für die Gründung ähnlicher Initiativen in Thüringen, Hessen und Baden-Württemberg sein. (mit dpa)