KUNST

schaut sich in den Galerien von Berlin um

Stephanie Wurster

Es ist ein trüber Tag im Grunewald, herbstlich, nass und wolkenverhangen, aber der Wald lebt: Wir hören unterschiedlichste Tiergeräusche, sehen wippende Äste vom Sturm gefällter Bäume. Damit keiner auf die Idee kommt, es in Jimmy Durhams Video „Grunewald“ (2006) mit spirituell beseelter Natur zu tun zu haben, sieht man die Verursacher gleich mit: Männer und Frauen, die an Ästen rütteln oder Holzscheiben zu instabilen Haufen schichten, die in Vogelrufpfeifen blasen und Laub in Teiche werfen, als Verstärkung der ohnehin vorhandenen Bewegungen und Laute der Natur. Durham, der aus dem Volk der Cherokee stammt, spielt in Here at the Center in der nbk mit den den in Europa gebräuchlichen Vorstellungen von „Indianerkunst“ – ohne pädagogischen Trieb, sondern mit einer bewundernswerten Mischung aus Ernsthaftigkeit, Objektliebe und Humor (bis 2. 8., Di.–So. 12–18, Do. 12–20, Chausseestr. 128–129).

Bewundernswert ist auch die Kunstfertigkeit von Patrizia Waller. Ihre Ausstellung Menschen, Tiere, Sensationen in der Galerie Deschler präsentiert ZirkusartistInnen, deren Nummern in Blutbädern enden: abgerissene Armstümpfe an Ringen, ein Clown mit einem Nagel im Kopf, eine wirklich durchgesägte Frau. Viel Niedlichkeit, viel Grusel, alles auf das Akkurateste gehäkelt, gestrickt und gestickt. Gelupfte Augenbrauen seitens der vorwiegend männlichen Kommilitonen ob ihrer als „weiblich“ eingestuften Materialwahl hat Waller, die Bildhauerei in Karlsruhe studierte, in ihrer Studienzeit öfter erlebt. Sie hat sich entschieden, weiterzumachen mit dem, was sie am besten kann. Und so großartig das auch ist, so sehr wünscht man auch, dass man in dieser speziellen Skulpturenausstellung nicht nur von der Ausführung geblendet wird, sondern auch von den Sujets: Bluttropfende Clowns liefern eine schnell verpuffte Pointe (bis 25. 7., Di.–Sa.

12–18, Auguststr. 61).

Eine alte Frage in der Fotografie – gerade auch wieder in einer Zeit der Diskussionen um Copyrights und der leichten Verfügbarkeit fotografischen Materials unklarer Herkunft: Was befindet sich in der Grauzone zwischen dem „Schießen eines Fotos“ und dem „Machen eines Bildes“? Dementsprechend hört man in der Eröffnung von The Human Apparatus in der Galerie Klemm’s auch Gesprächsfetzen, die sich auf Roland Barthes’ Fototheorien beziehen. Bei den gezeigten Arbeiten der zwölf KünstlerInnen schrumpft das Dokumentarische der Fotografie zur Nebensache, stattdessen stehen Aspekte wie Appropriation, Abstraktion und Materialität im Mittelpunkt (bis 1. 8., Di.–Sa. 11–18, Prinzessinnenstr. 29).